Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
wo er sich aufhält.«
Das hatte sich der Bewahrer gedacht. Madsick war ein eigenwilliger Junge gewesen, was sich in fortgeschrittenem Alter gewiss fortsetzte. Aber Madhrab war besorgt. Sicks Aussage während ihrer Begegnung im Verlies und seine Träume in der Grube hatten ihn beunruhigt. Der Lordmaster hatte dem Jungen zwar bislang vertraut, ein Fünkchen Skepsis war jedoch stets geblieben. Er konnte schwerlich einschätzen, ob Madsick gefährlich war oder nicht. An einer Verbindung des Jungen zum Herrn der Grube hatte Madhrab keinen Zweifel. Das hatte er selbst feststellen können. Aber Madsick hatte ihn immerhin aus dem Verlies gerettet und ihn vor einem Abstieg in die Grube eindringlich gewarnt. Vielleicht würde er das Geheimnis um Madsick nie enträtseln können oder aber sie begegneten sich eines Tages wieder. Dann würde er wissen, woran er war und ob das einst in den Jungen gesetzte Vertrauen berechtigt war.
»Bevor wir Boijakmar aufsuchen, brauche ich noch einige Informationen von dir. Ich war offenbar sehr lange in der Grube und habe nichts von den Veränderungen auf Kryson mitbekommen. Ich bitte dich, mich zu unterrichten. Wie ist die Lage?«, wollte Madhrab wissen.
Yilassa berichtete dem Lordmaster ausführlich über die von ihr in den vergangenen dreiundzwanzig Sonnenwenden beobachteten Ereignisse, zumindest soweit sie sich an diese erinnern konnte. Die Zeit der Dämmerung war vorüber, das hatte der Lordmaster sofort erkannt, als ihn aus dem Verlies kommend das Tageslicht geblendet hatte. Gar nicht lange nachdem Madhrab in die Grube hinabgestiegen war, hatte sich das die Sonne verdeckende schmutzige Wolkenband einfach im Nichts aufgelöst. Danach war beinahe alles wie zuvor. Die Sonnen schienen am Tage, überschnitten sich zur mittäglichen Tsairu und wechselten sich in ihrem Lauf mit dem großen Mond Krysons ab. Die Zeit der Dämmerung hatte ihre deutlichen Spuren bei den Nno-bei-Klan, den Pflanzen und den Tieren hinterlassen, und die Natur auf Ell brauchte lange, um sich von den Folgen zu erholen. Doch mit dem Ende der Dämmerung trauten sich die Wesen des Lichts aus ihren Verstecken hervor und begannen in jener Zeit, erstaunlich zahlreich, sich meist eine neue Bleibe zu suchen. Platz gab es fürwahr genug. Die Zeit der großen Wanderungen und Neubesiedlung folgte auf die Zeit der Dämmerung. Insbesondere die fruchtbaren Gebiete und die Grasebenen vor dem Riesengebirge waren begehrte Ziele für Tierherden wie auch für die Nno-bei-Klan. Neue Dörfer und Gehöfte wurden gegründet und eifrig gebaut. Das Leben eroberte sich Stück für Stück seinen Teil Ells zurück.
Noch bevor die Zeit der Dämmerung geendet hatte, war aus der Hauptstadt der Klanlande berichtet worden, dass ein Heiliger nach Tut-El-Baya gekommen sei, die Geißel der Schatten überwunden und viele Kranke gerettet habe. Was daran Wahrheit und was Legende war, wurde in der Folgezeit nie vollständig aufgeklärt. Tatsache war jedoch, dass die Seuche innerhalb weniger Monde auf ganz Ell verschwunden war und gleichzeitig die Schatten aus der Regentenstadt vertrieben worden waren. Der angebliche Heilige wurde von den Nno-bei-Klan wie ein Kojos gefeiert. Bald darauf krönten sie ihn zu ihrem Regenten, huldigten und verehrten ihn. Ihm hatten sie es zu verdanken, dass die Schreckensherrschaft der Praister nicht fortdauerte und der oberste Praister Thezael unter Androhung einer Todesstrafe mitsamt seinem Gefolge aus dem Kristallpalast gejagt wurde. Den Gerüchten zufolge solle der Heilige unermesslich reich sein und über schier unbegrenzte Mittel verfügen, um die Hauptstadt wieder aufzubauen und die Klanlande zu einer neuen Blüte zu führen. Die Erwartungen waren hoch. Schon war die Rede von einem goldenen Zeitalter des Glücks und des fortwährenden Wohlstandes, obwohl noch kein einziger Stein bewegt und kein Korn gesät worden war. Die Fürsten waren mit dem vom Volk erwählten Regenten einverstanden. Ein erstaunliches und vor allem einzigartiges Ereignis. Nie zuvor hatte es ein im Grunde einfacher Mann aus dem Volke zum Regenten geschafft. Hinter vorgehaltener Hand wurde gemunkelt, dass jedes Fürstenhaus für seine Zustimmung eine ordentliche Summe Anunzen in Gold erhalten habe.
Der Name des von den Massen gefeierten Heiligen war Jafdabh, und an seiner Seite schritten seine Jünger und Leibwächter durch die Straßen der Stadt, die auf die Namen Renlasol und Drolatol hörten. Zwei ehemalige Sonnenreiter, die den heiligen Jafdabh auf
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