Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
sofort von unten nach oben gegen das Bein des Eiskriegers, dessen durch den Sprung und die Landung eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten ihn an einem Ausweichen hinderten. Die Schneide der Axt schnitt sich tief in den Oberschenkel des Leibwächters und fällte diesen wie einen Baum. Baylhard biss die Zähne zusammen und knurrte vor Schmerzen wie ein verwundeter Schneetiger. Zäher, als Chromlion geglaubt hatte, kroch der Eiskrieger plötzlich entschlossen auf den Bewahrer zu und bekam diesen an den Füßen zu fassen. Der Lordmaster spürte die Kraft, die in dem Klan steckte. Es gelang ihm nicht, sich durch heftiges Treten aus dem Griff zu befreien, sodass er unaufhaltsam an den Eiskrieger herangezogen wurde und sich dieser mit seinem ganzen Gewicht auf ihn warf. Die schwieligen Hände umklammerten den Hals des Bewahrers, dass diesem Hören und Sehen verging. Chromlion fühlte sich an den Kampf in Kalayan gegen Madhrabs Bruder erinnert, der ihn ebenfalls erwürgen wollte.
Verzweifelt versuchte er an seine Dolche zu gelangen, um sich auf ähnliche Weise des Eiskriegers zu entledigen. Aber der Kampf auf Leben und Tod war wie verhext. Baylhard schien in seinen Gedanken lesen zu können, denn kaum hielt er die Dolche in Händen, ließ dieser von ihm ab und brachte sich außer Reichweite, um sofort wieder nachzusetzen. Der Speer traf Chromlion an der Schulter, durchschlug die Rüstung des Bewahrers und blieb nur knapp über dem Herzen stecken. Der Lordmaster spuckte Blut, rappelte sich hustend auf und wollte den angeschlagenen Eiskrieger trotz seiner Verwundung erneut angreifen, um diesem endlich das letzte Geleit zu den Schatten zu geben. Bevor er allerdings eine Bewegung in Richtung seines Gegners machen konnte, bemerkte er zu seinem Entsetzen, dass sich wie aus dem Nichts eine Schlingenklinge über seinen Kopf um seinen Hals gelegt hatte. Wenn er sich jetzt bewegte oder sein Gegner die Schlinge zuzog, würden sich die Klingen in seinen Hals bohren und ihm den Kopf abreißen. Dies wäre sein sicheres Ende. Den Atem anhaltend wagte er nicht, sich zu regen, und wartete was geschah. Baylhard humpelte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Bewahrer zu und zog den Speer aus der Wunde. Chromlion schrie vor Schmerz. Baylhard war es jedenfalls nicht, der dem Lordmaster die gefährlichste Waffe der Eiskrieger um den Hals geworfen hatte.
»Ich lebe noch, Bewahrer«, sagte Baylhard in bissigem Ton, »und Ihr hattet Glück, dass meine Augen vom Schmerz getrübt waren, sonst hätte der Speer Euer Herz durchbohrt und nicht nur die Schulter. Vielleicht hättet Ihr mich getötet, wenn wir für eine Weile weitergekämpft hätten. Aber Ihr habt eines übersehen: Ich bin ein Eiskrieger. Im Gegensatz zu euch Bewahrern kämpfen Eiskrieger niemals alleine, es sei denn, sie gehen auf die Jagd nach Moldawars. Dann aber auch nur, um ihre Kameraden nicht zu gefährden. Wir helfen uns, wenn einer unserer Gefährten in Not gerät. Ich rate Euch, seht Euch um.«
Der Lordmaster gehorchte den Worten des Eiskriegers und drehte seinen Kopf sehr vorsichtig und langsam in die Richtung, die ihm Baylhard angedeutet hatte, damit ihn die an der Innenseite der Schlinge angebrachten Klingen nicht noch tiefer verletzen konnten. Er blutete bereits an einigen Stellen am Hals. In seinem Rücken, in etwa sechs Fuß Entfernung, stand ein weiterer Eiskrieger, dessen Rüstung in den Farben des Regenbogens schimmerte. Der Eiskrieger hielt die Schlingenklinge fest in der Hand und nickte dem Bewahrer mit ernster Miene zu.
»Ich bin Hassard«, stellte sich der Eiskrieger vor, »der Anführer der Eiskrieger. Ich lasse nicht zu, dass Ihr einen meiner besten Männer tötet und den Fürsten bedroht. Aber Ihr dürft wählen, welchen Tod Ihr für Eure Unverschämtheit sterben wollt. Hier und jetzt gleich durch die Schlingenklinge oder später im ewigen Eis. Ich verspreche Euch, die Schlingenklinge wird Euch den Kopf so schnell von Eurem Rumpf trennen, dass Ihr denkt, er säße noch auf Euren Schultern, obwohl Ihr längst bei den Schatten weilt. Es wird nur ein klein wenig schmerzen. Der Tod im ewigen Eis hingegen dauert länger, und wir wissen, dass die zu diesem Schicksal Verurteilten daran verzweifeln, dass sie sich nicht für den schnellen Tod entschieden haben. Aber dafür leben sie länger und erhalten Gelegenheit zur Reue. Ich versichere Euch, ein Tag im ewigen Eis kann sehr lang sein.«
Chromlion schluckte. Sie hatten ihn festgesetzt und er hatte keine Möglichkeit,
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