Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
Lordmaster Madhrab. Kaum zu glauben, das Blutschwert kehrt zu seinem Herren zurück. Baylhard, Ihr müsst Solatar sofort zu Madhrab bringen.«
»Wenn ich es tragen kann, werde ich das tun«, merkte Baylhard an. »Es hat ohne Zweifel sein Gewicht und ich bin mir nicht sicher, ob ich stark genug bin.«
»Versucht es! Ihr seid der Stärkste unter den Eiskriegern. Soweit ich gehört habe, verweigert es sich den meisten Schwertträgern, die mit dem Schwert kämpfen wollen und sich dadurch einen Vorteil erhoffen. Aber womöglich ist es Euch wohlgesinnt, wenn es weiß, dass Ihr es seinem eigentlichen Herrn zuführt. Nur Madhrab ist in der Lage, das Schwert zu meistern. Solatar wählt sich den Krieger aus und nicht umgekehrt.«
»Ihr sprecht von dem Schwert, als würde es leben, Hassard.«
»Vielleicht lebt es tatsächlich. Wer weiß? Nicht einmal Joffra, der Meisterschmied, kennt das Geheimnis, das dieses Blutschwert umgibt, und immerhin hat er die Klinge geschmiedet. Schenkt man den Geschichten um das Schwert Glauben, hat es bereits unzählige Seelen geraubt und besitzt einen eigenen Geist und eine Seele, die mit jedem getöteten Feind stärker werden.«
Baylhard trat an das Schwert heran, bückte sich und versuchte es mit beiden Händen anzuheben. Kaum hielt der das Schwert in Händen, bemerkte er seinen Fehler. Er hatte zu viel Kraft aufgewendet. Solatar gab ein metallisches Kreischen von sich, während es in die Luft gerissen wurde, über den Kopf wirbelte und den Eiskrieger gleichzeitig nach hinten zog. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte mitsamt dem Schwert auf den Rücken. Zu seinem Glück wurde er von der Klinge nicht verletzt.
»Es ist leicht wie eine Feder«, keuchte Baylhard erstaunt, während er ächzend wieder auf die Füße kam. »Ich dachte, es wäre schwer und ich müsste mich anstrengen, um das Schwert aufzuheben.«
»Dann ist es also wahr. Solatar gehorcht nicht jedem. Aber offensichtlich gefallen ihm Eure Absichten. Ihr werdet keine Mühe haben, das Schwert zu Madhrab zu bringen«, stellte Hassard fest. »Sobald wir diesen Chromlion vernommen haben, wird es Zeit für den Aufbruch. Macht Euch am besten bereit, bevor wir Corusal aufsuchen.«
»Aye!«, bestätigte Baylhard. »Ich werde bereit sein.«
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Es war ein gutes Gefühl, ein solch edles Schwert in den Händen zu halten, und er hatte keine Mühe, Solatar einhändig zu führen. Das Gewicht war für ihn kaum spürbar, und es wunderte ihn nicht mehr, dass ein Krieger mit solch einem Schwert, während eines Kampfes nicht müde wurde. Jedenfalls nicht wegen Solatar.
Schwere Eisen um Hals, Handgelenke und Fußknöchel zwangen Lordmaster Chromlion zu kleinen, trippelnden Schritten. Die Hände waren am Rücken mit Ketten gefesselt, eine davon reichte stramm gezogen bis zu den Füßen und zwang ihn aufgrund der knapp und zu kurz gehaltenen Kettenglieder in eine unkomfortable, nach hinten gebeugte Haltung. Ein massiver Block am Bein erschwerte ihm das Gehen zusätzlich. Chromlion keuchte vor Anstrengung, während er, von wütenden Blicken der Dienerschaft des Eispalastes begleitet, von den Wachen durch die glatt polierten Flure gezerrt wurde. Mehrfach war er auf dem spiegelglatten Boden ausgerutscht und der Länge nach mal nach vorne, mal nach hinten gestürzt. Dabei hatte er sich Prellungen, Schürfwunden und eine blutige Nase zugezogen. Mit jedem Schritt musste er den Eisenblock nachziehen und befürchtete, dass ihm jeder weitere Trippelschritt das Bein ausreißen würde. Aber das Bein blieb an seinem Platz, lediglich die Anstrengung und die Schmerzen steigerten sich mit jedem Schritt. Der Bewahrer war froh, als er endlich die Tür zu den Gemächern des Fürsten erblickte, die von dem Hünen Baylhard bewacht wurde. Der Eiskrieger war hart im Nehmen, das musste er ihm lassen. Er hatte sich lediglich die Wunde am Bein versorgen lassen und war sodann pflichtbewusst auf seinen Posten zurückgekehrt, um dem Verhör auf Wunsch des Fürsten beizuwohnen.
Baylhard öffnete die Tür, ließ den Gefangenen passieren und folgte ihm auf dem Fuße. Die Wachen blieben draußen und hatten Anweisung, während des Gespräches niemanden in die Gemächer des Fürsten einzulassen. Fürst Alchovi, Hassard und der Praister Henro waren in ein Gespräch vertieft, als Chromlion eintrat. Sie hatten den Lordmaster jedoch bereits erwartet. Auf einen mit Fellen bedeckten, schlicht geformten Stuhl aus Eis deutend, bot der Fürst dem Bewahrer
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