Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
und Verderben. Wer will darüber schon regieren? Weshalb seht Ihr es nicht? Es ist vorbei. Eure Stadt geht unter. Seht sie Euch an, die Regentin der sterbenden Rasse. Jung und lüstern, hört Ihr sie Liebesschwüre flüstern. Sie ist das Sinnbild moderner Klan. Reduziert auf die niedersten Triebe frönt sie dem Vergnügen und der Lust. Dekadenz in ihrer höchsten Form. Bald schon werden die Altvorderen auf den Plan treten und altes Recht einfordern. Eine neue alte Ordnung entsteht, wenn die wiedergeborenen Lesvaraq die Macht ergreifen. Dient ihnen, vielleicht lassen sie Euch für eine Weile leben. Stellt Euch gegen sie und sie werden Euch hinwegfegen, als wärt Ihr verdorrtes Laub.«
»Schafft mir dieses Monster endlich aus den Augen«, wies Thezael die hinter im versammelten Gardisten an.
»Dumm, dumm, dumm!« Tarratar zeigte mit dem Finger auf die Umstehenden und blieb in der Drehung um die eigene Achse direkt vor Thezael stehen. »Ich hatte meinen Spaß mit Euch in der Stadt der Geister und der Toten. Wer weiß, womöglich hätte ich Euch in der Not und Eurer Machtlosigkeit helfen können. Aber jetzt muss ich gehen und Ihr werdet es nie erfahren. Einen letzten Kuss dem willigen Fleisch werdet Ihr mir gewiss gestatten? Sie ist so … sinnlich in ihrer Ekstase«, kicherte Tarratar und rieb sich die Hände.
»Untersteht Euch!«, schrie Thezael aufgebracht, »Wachen! Nehmt den Zwerg gefangen.«
»Ich bin kein Zwerg, mein werter Herr Praister«, antwortete Tarratar spöttisch, »und nun, da Ihr dies wisst und die Erkenntnis über das, was ich nicht bin, für Euch nichts wert ist. Sterbt wohl.«
Thezael starrte fassungslos auf die Stelle, wo er den Narren zuletzt gesehen hatte. Er hatte sich vor seinen Augen mit einem Lachen einfach in Luft aufgelöst, bevor ihn die Wachen ergreifen konnten.
Wie war das möglich?, fragte sich der Praister insgeheim.
Die Stimme Tarratars dröhnte in seinem Kopf, als stünde der Narr direkt neben ihm. Ach … fast hätte ich es vergessen … ich bin ein Wächter des Buches, dessen geheimes Wissen Ihr so sehr begehrt, waren die letzten Worte des Narren, die ausschließlich ihm galten.
Ich hätte es mir denken können, ärgerte sich Thezael, er hat uns den Narren nur vorgetäuscht und seine Anwesenheit im Kristallpalast hatte eine tiefere Bewandtnis.
»Und nun zu Euch«, wandte sich der Praister zunächst an Darfas, den Diener, »runter von der Palasthure. Das Fest ist zu Ende. Schämt Euch, Darfas. Euer Verhalten wird Folgen haben.«
»Aber …aber …sie hat es mir befohlen, Herr«, stammelte Darfas und gehorchte, »ich konnte mich ihrem Wunsch nicht widersetzen.«
»Ihr seid nicht irgendein Diener, Darfas. Ihr hättet ihr Drängen ablehnen müssen und Euch dezent entfernen sollen, wie es sich für einen Diener des Kristallpalastes gehört. Soweit ich mich erinnere, habt Ihr den Rang des Ersten Dieners in diesem Palast inne. Dies jedenfalls seid Ihr die längste Zeit gewesen. Über andere Maßnahmen unterhalten wir uns später. Ich denke, Ihr werdet für den Rest Eures erbärmlichen Lebens die Verliese putzen. Dort wird es keine Versuchungen für Euch geben. Packt Euer Gewand und verschwindet aus meinen Augen, sonst opfere ich Euch an Ort und Stelle den Kojos, um ihren Zorn über das Gesehene zu beschwichtigen.«
Darfas blickte beschämt zur Seite, packte sein Bündel Kleider und rannte, so schnell er konnte, aus dem Festsaal. Den Verwandten der Habladaz, Ayadaz, zog Thezael eigenhändig und höchst unsanft am Haarschopf zu sich.
»Ihr beschmutzt den guten Ruf Eures Hauses, mein Junge«, flüsterte der Praister dem Habladaz-Abkömmling zu. »Fürst Habladaz wird wenig erfreut sein, wenn ich ihm Eure heldenhaften Taten am Hofe und im Schoß der Regentin vor dem Rat der Fürsten vortrage.«
»Ich bitte Euch, tut das nicht«, seine Stimme zitterte vor Erregung.
»Vielleicht überlege ich mir das noch einmal unter der Voraussetzung, dass Ihr die Regentin zu einem Ausflug in die Stadt begleitet«, lächelte der Praister, »dort könnt Ihr ungestört mit ihr machen, was Ihr wollt.«
»Aber ehrwürdiger Praister«, stammelte Ayadaz, »ich habe nichts Unrechtes getan. Sie wollte es so haben. Wisst Ihr denn nicht, dass dies unser sicherer Tod wäre?«
»Und? Den habt Ihr Euch redlich verdient. Ich gebe Euch die einmalige Gelegenheit, zu entkommen. Wollt Ihr sie mit Euch nehmen und vor den Seuchenopfern beschützen?«
»Nein … ich … Ihr bringt mich nicht in diese Stadt, in der
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