Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
Blut verkrustete Schnitte und Abschürfungen zierten die Kopfhaut. Sie war verletzt und lief barfuß. Wie unschwer zu erkennen war, hatten andere ihr die Verletzungen zugefügt. Ihr Rücken wies mehrere verheerende und schmerzhafte Prellungen auf. Ein Rippenbogen ragte unnatürlich heraus. Gewiss ein Bruch, der nicht ohne die Hilfe eines Heilers gesunden würde. Mit einer Hand an der Hüfte und einer vornübergebeugten Haltung musste sie sich von ihrem Gefährten stützen lassen, während sie unter Schmerzen ein gebrochenes Bein nachzog. Es war ein offener Bruch, bei dem Knochen und Splitter aus Schienbein und Fußknöchel aus der noch blutenden Fleischwunde herausragten. Die Wunden waren frisch und offensichtlich nicht versorgt worden.
Der Mann sah sich nach beinahe jedem zweiten Schritt nervös und hektisch um. Jedes Geräusch ließ ihn aufhorchen. Kaum hatten sie sich ein paar Schritte auf den gepflasterten Wegen vorangeschleppt, blieben sie stehen und lauschten, ob sie in ihrer Nähe etwas Verdächtiges wahrnehmen konnten. Erst nachdem sie sich vergewissert hatten und keine Gefahr vermuteten, liefen sie weiter hinkend in die Stadt hinein. Auf einem Wachturm entlang der Gartenanlagen des Palastes stand Thezael im Schutze der Gardisten und beobachtete kalt lächelnd das sich abmühende Paar.
»Wir müssen einen sicheren Platz suchen und uns verstecken«, flüsterte Raussa, »die Schmerzen werden mit jedem Schritt unerträglicher. Ich kann mit dem Bein nicht mehr weit gehen.«
»Ihr müsst die Zähne zusammenbeißen, Regentin«, antwortete Ayadaz, »ich habe Freunde außerhalb des Palastes in Tut-El-Baya. Sollten sie die Seuche und die Plünderungen überlebt haben, werden wir dort in Sicherheit sein. Es ist zumindest eine Hoffnung auf ein Überleben. Aber es ist noch ein gutes Stück des Weges bis zu ihrem Haus. Wenn wir uns nicht beeilen, werden wir einige Horas benötigen.«
» Ich kann nicht schneller, Ayadaz«, entschuldigte sich Raussa, nicht ohne einen leisen Vorwurf für die Ungeduld ihres Begleiters durchklingen zu lassen.
»Das Beste wäre, wir bringen Euch gleich in ein nahe gelegenes Haus und verstecken Euch dort vor den Seuchenopfern, so gut es eben geht. Ich ziehe alleine weiter und versuche mich zu meinen Freunden durchzuschlagen. Ich bitte sie um Hilfe, komme zurück und hole Euch, sobald ich sie gefunden habe«, schlug Ayadaz vor.
»… und der junge Held kehrt niemals wieder«, verzog Raussa ihr Gesicht zu einem schmerzlich verbitterten Ausdruck, »… geht und versucht Euer Glück. Ich bin am Ende.«
»Ich bitte Euch. Ihr dürft Euch nicht aufgeben. Die Klan brauchen Euch. Wenn es uns gelingt, die Fürsten gegen Thezael aufzubringen, hat seine letzte Hora bereits geschlagen.«
»Ich wusste nicht, welch Träumer Ihr seid. Wenn mich weder die Geißel der Schatten, Plünderer oder Vergewaltiger holen sollten, wird mich mit Sicherheit das Fieber eines Wundbrandes oder der Blutverlust zu den Schatten bringen. Und wenn es das nicht ist, werde ich verhungern und verdursten. Thezael ist zu gerissen, um sich von den Fürsten absetzen zu lassen. Er steht mit Mächten im Bunde, denen wir nicht gewachsen sind. Eher wenden sich die Fürsten gegen mich, als ihn herauszufordern und gegen sich aufzubringen. O nein, Ayadaz, Ihr habt das falsche Pferd geritten.« Das ihren Worten folgende kehlige, raue Lachen klang bereits wie das einer Wahnsinnigen.
Ein heulendes Jaulen in ihrer Nähe, das sich wie der Jagdruf eines überaus hungrigen Raubtiers anhörte, ließen Raussa und Ayadaz erschrocken aufhorchen. Sie konnten bereits das Geräusch über das Pflaster laufender Stiefel und Füße hören, die sich ihrem Standort unaufhaltsam näherten.
»Lasst mich hier und bringt Euch in Sicherheit, Ayadaz«, flüsterte Raussa, »es wird nicht mehr lange dauern, bis sie uns aufgespürt haben.«
»Aye«, antwortete Ayadaz und blickte die Regentin mitleidig von der Seite an, »zieht Euch in den nächsten Hauseingang zurück, verhaltet Euch still und wartet, bis sie vorüber sind. Euer Wunsch ist mir Befehl. Ich gehe und suche nach Hilfe.«
Er nahm Raussa den Umhang ab, verhüllte sich darunter und ließ sie stehen, ohne sich noch einmal umzublicken. Ayadaz war schnell in der Dunkelheit der vor ihnen liegenden Gasse verschwunden. Ohne die Unterstützung des Höflings war sie zu schwach, um sich auf den Beinen zu halten. Sie fiel auf die Knie, heulte vor Schmerz auf, fluchte und zog sich mit den Händen über das
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