Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
deutete ihm mit einer unwirschen Kopfbewegung an, er solle sich entfernen. Thezael dachte nicht daran.
»Schande über Euch und Eure Familie. Ich habe genug von Euren Ausschweifungen und Launen«, beschwerte sich Thezael verärgert. »Ihr bestellt mich und bietet mir ein Trauerspiel voller Dekadenz und Perversion. Ihr seid eine impertinente Hure. Nicht besser als die Frauen, die sich für ein paar Anunzen oder einen Schluck Starkgebrannten dem nächstbesten stinkenden Hafenpenner an den Hals werfen. Und dieser Idiot von einem Zwerg, der sich in Eurer Gegenwart Narr nennen darf, beleidigt meine Sinne mit seinem Gezeter. Das hat nun ein Ende.«
Da sprang der Narr plötzlich auf, schüttelte den Kopf, bis die Glöckchen an seiner Kappe klingelten, und umkreiste den Praister nackt tanzend. Thezael blieb ruhig und wartete auf die Gardisten und Praister, die ihm zu Hilfe eilten. Bevor er zu Raussa gegangen war, hatte er bereits die Absicht gehegt, den Narren gefangen nehmen zu lassen und einen der untergebenen Praister nach den Gardisten geschickt. Die Musiker beendeten ihr Spiel und im Festsaal trat Stille ein, als ob die Gäste den Atem anhielten.
»Hoi, hoi … hört den Klang des heiligen Mannes«, rief Tarratar, während er von einem Bein auf das andere hüpfte. »Außer sich vor Wut vergreift er sich, zeigt Mut … zum ersten Mal. Hoi, hoi … seht das Antlitz der Schatten, schon ruft er Hilfe suchend nach den Ratten. Ein Praister, fein und doch so klein, will mächtig sein. Seht ihn Euch an, den roten Robenmann. Wie stolz er ist und blind. Denkt, er rette die Welt vor dem Dunklen geschwind. Magie, ein Wort, das er nicht kennt, und kommt sie nun, die Ungläubigen zu richten, der Praister rennt.«
»Schweigt, Ihr elende Missgeburt von einem Zwerg«, herrschte Thezael den Narren an, »oder ich lasse Euch die Zunge herausschneiden. Ihr wisst nicht, wozu ich imstande bin.«
»Oh, natürlich weiß ich das, mein Herr«, erwiderte Tarratar, »Ihr seid ein Mann der Kojos, ein Praister, und Ihr habt Euch viele Getreue mitgebracht. Viele schöne Geschichten werden über Euch erzählt. Von der Inquisition über verräterische Intrigen, Folter, Attentaten bis hin zu heimtückischer Mordlust war alles an Abscheulichkeiten vertreten, was sich meine Ohren wünschen könnten. Auserkoren, den Unbegreiflichen zu dienen, sagt Ihr über Euch selbst. Ein Praister, der nach Macht strebt und unerwartet vor den Trümmern seiner Träume steht. Nicht wahr? Das muss ein Schock für Euch gewesen sein. Ihr steht am Abgrund, wolltet herrschen und hattet eine Vision vom Glanz der Macht. Ihr wolltet endlich in der Sonne stehen und nicht mehr im Schatten eines Regenten. Der dunkle Hirte und seine folgsamen Diener haben Eure gierigen Pläne durchkreuzt. Auferstanden aus dem ewigen Schlaf rief er die Zeit der Dämmerung hervor und überzog das Land mit Katastrophen und der Geißel der Schatten. Ja, die Altvorderen und die Saijkalrae sind Euch einen Schritt voraus. Jetzt grämt Ihr Euch, weil Ihr nicht gesehen habt, was kommen musste. Doch Narren seid Ihr allesamt. Denkt immer noch, Ihr könntet verhindern, was unabwendbar ist. Glaubt, die Rückkehr des Magischen durch Folter und Opfer zu unterbinden. Seht mich an. Der Narr sollte ich sein. Aber in Wirklichkeit seid Ihr es. Wollt Ihr meine Kappe haben?«
»Hütet Eure Zunge gut«, blaffte Thezael, »ich scherze nicht.«
»Nein, Schattenmann. Ihr seht wahrlich nicht danach aus, als besäßet Ihr auch nur einen Funken Humor. Den solltet Ihr aber besser haben, wenn Ihr das nächste Mal den Schatten gegenübertretet. Den Todgeweihten steht ein Lächeln auf den Lippen gut, vor allem wenn es ihr Letztes ist, was sie vor den Flammen der Pein retten könnte.«
»Wer seid Ihr?«, stutzte Thezael plötzlich. »Ein Gaukler gewiss nicht. Dafür seid Ihr zu gerissen. Woher nehmt Ihr Euer Wissen? Ein Betrüger oder Hochstapler würde zu Euch passen.«
»Wer ich bin und was ich weiß, tut nichts zur Sache. Ein Bote, ein Prophet, der Meister der Rätsel oder gar ein Magier? Tarratar dürft Ihr mich nennen. Ein Name unter vielen bloß. Ob ich es bin? Wer weiß das schon. Euer Ende ist nah, Praister. Aber Ihr verschließt Euch davor. Lasst die Gesellschaft am Hofe das Leben in vollen Zügen genießen. Was habt Ihr zu verlieren, Thezael? Nichts. Sie …«, er zeigte auf Raussa, die einem Höhepunkt entgegensteuerte, »… hat längst erkannt, dass sie über nichts herrscht. Das Erbe ihres Vaters ist wertlos. Tod
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