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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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aufmerksam um und musterte die Gesichter der umstehenden Gäste und Wachen. Ein angstvolles Flüstern ging durch die Reihen: »Der Praister ruft die Schatten in den Kristallpalast. Wir müssen fliehen.« Die Wirkung hatte Thezael durchaus beabsichtigt. Erinnerungen an die Bestattungszeremonie wurden wach. Schnell breitete sich Angst unter den Höflingen aus , die sich bei jedem weiteren noch so kleinen Anlass zu einer Panik ausweiten konnte. Die Grundlage für das Feuer war gelegt. Ein kleiner Funke genügte, um es zu entfachen. Bleiche Gesichter, aus denen binnen kürzester Zeit jegliche Farbe gewichen war, starrten den Praister erschrocken und entsetzt an. Sie hatten sich im Palast bis zuletzt sicher gefühlt, obwohl die Welt außerhalb der Mauern vor ihren Augen zerfiel und von Dunkelheit bedroht wurde. Durch ein einziges Wort aus dem Mund des obersten Praisters war die Sicherheit verflogen. Manchen schlotterten die Knie. Andere klapperten mit den Zähnen oder kauten nervös auf ihren Fingernägeln herum. Wieder andere zitterten am ganzen Körper ob der Vorstellung, dass die Schatten jeden Augenblick durch die Tür des Festsaales kommen konnten und die Gesellschaft mit sich nehmen würden.
    »Wachen, Praister! Tut, was ich Euch sage, und es wird Euch nichts geschehen«, sagte Thezael klar und deutlich, »verweigert mir die Treue und ich rufe die Schatten, wie ich es schon einmal tat.«
    »Hört nicht auf ihn«, versuchte Raussa ihre Haut zu retten. Ihr schwante das Schlimmste. »Er will Euch hinters Licht führen. Thezael ist dazu nicht in der Lage.«
    Niemand im Festsaal glaubte ihr, denn die meisten unter ihnen hatten den Praister während der Zeremonie erlebt und das Ergebnis seiner Anrufung war in ihren Augen eindeutig. Seit jenem Tag wanderten die Schatten durch Tut-El-Baya, und die eine Sonne hatte sich zur Zeit der Dämmerung verdunkelt. Die Gardisten entschieden sich rasch, packten die Regentin unsanft an den Armen und hielten sie fest. Raussa wehrte sich nicht gegen die Gefangennahme. Ihr war bewusst, dass sie die Auseinandersetzung verloren hatte und dies das Ende ihrer Regentschaft war. Eher früher als später hatte sie ohnehin damit gerechnet. Vielleicht war sie tatsächlich zu weit gegangen und hätte weiterhin die naive Tochter des Regenten spielen sollen, die sie nicht war. Aber diese Rolle wollte sie nie leben. Sie wäre nicht frei gewesen und wäre am Ende ohnehin nach Belieben des Praisters ausgetauscht worden. Die Provokation der offenen Konfrontation ihrerseits musste in ihren Augen sein. Wenigstens wollte sie es versuchen und an der aufkeimenden Macht des Praisters kratzen, solange sie dies noch vermochte. Thezael herrschte durch Furcht und Gewalt und war mit jedem Tag mächtiger und einflussreicher geworden. Die Klan fürchteten den Praister mit der dunklen Ausstrahlung. Raussa hatte insgeheim auf einen Fehler des Praisters gehofft, der sich für gewöhnlich scheute, offen zu agieren, und als vorsichtig galt. Doch sie hatte vergeblich gehofft. Thezael war zu erfahren, um sich darauf einzulassen.
    »Was sollen wir mit ihr machen, Herr«, fragte eine Wache.
    »Schneidet ihr die Haare ab, gebt ihr zehn Schläge mit einem eisernen Stock auf Beine und Rücken, jagt sie anschließend aus dem Palast und schickt sie in die Gassen der Stadt. Nackt, wie sie sich zuletzt am liebsten zeigte. Sollen sich die Einwohner von Tut-El-Baya um ihre Regentin kümmern. Sie werden ihre Herrlichkeit gewiss zum Fressen gernhaben. Danach geht und verhaftet Ukulja in ihren Gemächern. Die Mutter der Regentin ist die Letzte aus der Familie der Sei Tan. Wir wollen gnädig sein und sie den Kojos opfern, denn sie hat sich außer ihrer Blutsverwandtschaft mit der Regentschaft nichts zuschulden kommen lassen«, genoss Thezael seinen Triumph in vollen Zügen.
    Auf ein Kopfnicken des Praisters wurden Raussa und ihr Liebhaber abgeführt. Thezael hingegen machte sich mit einer Gruppe von Getreuen sofort zu den Gemächern der Regentinmutter auf.
    Ihr Herz und Blut wurden noch in derselben Nacht den Kojos übergeben.
    Nicht alleine die Kälte ließ das durch die Straßen von Tut-El-Baya streifende Paar frieren und zittern. Die Angst saß ihnen im Nacken. Die Frau war splitternackt unter dem dünnen Leinenumhang, welchen sie von ihrem Begleiter fürsorglich um die Schultern gelegt bekommen hatte. Ihr Kopf war kahl geschoren. Wer auch immer die Klinge während der Tortur geführt hatte, war nicht vorsichtig gewesen. Zahlreiche mit

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