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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Madsick spüren konnte. Aber er bemerkte auch, dass sich das Wesen seiner Gedanken bemächtigen wollte und sein Drängen stärker und stärker wurde. Ihm wurde bewusst, dass er den Gaukler zurücklassen musste, und zwar schnell, wenn er sich nicht der unsichtbaren Gefahr aus den Gängen der Grube aussetzen wollte. Was immer dort lauerte, war mächtig und es wollte ihn haben. Madsick rannte mit der Flöte des Gauklers in der Hand um sein Leben. Obwohl er sich den Weg durch die Gänge gemerkt hatte, verlief er sich und fand nicht zurück. In seiner Panik vor der drohenden Gefahr hatte er die anderen in den Gängen umherirrenden Gefangenen nur unbewusst wahrgenommen. Sie alle hatten sich entweder selbst verstümmelt oder ihnen waren durch andere Verletzungen beigebracht worden. Seine Beine trugen ihn nicht länger und er stürzte zu Boden. Sofort spürte er die ungeheure Präsenz des Wesens in seinem Kopf, das mit jeder Sardas stärker wurde und ihm Kopfschmerzen bereitete. Eine Stimme sprach zu ihm. Sie war drängend, geradezu fordernd . »Spiel mir das Lied der Grube, Kind!« Madsick weigerte sich, indem er dem Wesen klarmachen wollte, dass er überhaupt nicht spielen konnte. Aber es zeigte sich unnachgiebig. »Ich bin der Herr der Grube«, sagte die Stimme zu Madsick. »Spiel auf der Flöte! Ich zeige dir, wie es geht. Vertraue mir, ich weiß, dass du es kannst. Denn ich kann sehen, wer du bist. Spiel für mich. Dies ist meine Welt. Niemand widersetzt sich meinen Wünschen.« Madsick gehorchte und spielte. Er staunte über sich selbst, zu welchen Tönen er plötzlich imstande war. Es war, als spielte die Flöte von selbst. Dabei war es der Herr der Grube, der durch ihn auf dem Instrument spielte, wodurch Madsick allerdings schnell lernte, wie er mit der Flöte umzugehen hatte.
    »Er ließ mich gehen«, sagte Madsick, »ich weiß nicht warum, aber ich durfte die Grube verlassen. Vielleicht konnte er mit meinen Gedanken nichts anfangen. Sie waren ohne Wert für den Herrn der Grube. Ich war ein kleines Kind und hatte nichts anderes gesehen als das Verlies. Die Macht und der Wahnsinn waren spürbar. Und …«, Madsick zögerte und atmete einmal tief aus und wieder ein, »… er ist immer noch in meinem Kopf. Er ernährt sich von den Erinnerungen und Gedanken der Gefangenen, nimmt sie in sich auf, stiehlt ihr Wissen und treibt sie in den Wahnsinn ewiger Umnachtung. Aber er nahm auch ihre Boshaftigkeit in sich auf und machte sie sich zu eigen. Es waren die Geister der Mörder und anderen Verbrecher, die ihn zu dem Wesen machten, das er heute ist, dessen bin ich mir sicher. Er war nicht von Anfang an schlecht. Und … da ist noch etwas …«
    Madsick stockte, sein Gesicht verzog sich zu einer schmerzverzerrten Fratze. Er griff sich an die Schläfen und aus seiner Nase trat Blut.
    »… ich kann … darf es Euch nicht sagen«, quälte sich der Junge die Worte von den Lippen, »… der Herr der Grube verbietet es.«
    »Lassen wir es dabei bewenden«, erlöste Madhrab den Jungen. »Du hast genug erzählt. Das soll mir als Erklärung deiner Kunstfertigkeit reichen. Ich werde deinem Herrn der Grube sicher bald begegnen.«
    »Das dürft Ihr nicht«, keuchte Madsick, »ich bitte Euch. Er wird Euch niemals gehen lassen. Ihr seid zu wertvoll für ihn. All das Wissen, die Erfahrungen und Talente, die Ihr als Bewahrer mitbringt. Durch Euren Geist würde er noch mächtiger werden. Vielleicht gelänge es ihm, sich durch Eure Hilfe aus der Grube zu befreien. Das ist es, was er will, und das wäre verheerend für Kryson.«
    »Ich werde in die Grube hinabsteigen müssen, Madsick. Denn sie ist eines der ungelösten Rätsel im Haus des hohen Vaters und mein Schicksal, dem ich mich, dem Urteil der Bewahrer folgend, stellen muss. Wenn ich entkomme, werde ich frei sein und die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen.«
    »Und wenn Ihr nicht entfliehen könnt, wäre alles verloren, für das Ihr Euch eingesetzt habt.«
    »Dieses Wagnis werde ich eingehen müssen. Aber zunächst möchte ich, dass du deine Talente nutzt, die dir der Herr der Grube mit auf den Weg gegeben hat. Öffne für mich die Pforte zu den Schatten.«
    »Bitte zwingt mich nicht dazu, Herr!«, jammerte Madsick. »Ich flehe Euch an, Ihr wisst nicht, worauf Ihr Euch einlasst.«
    »Wenn ich ehrlich bin, wusste ich das noch nie, und im Grunde ist es mir gleichgültig. Schlimmer, als es im Moment ist, kann es kaum werden. Also fürchte dich nicht. Ich bin bei dir und will es versuchen.

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