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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Bruder. Vielleicht war es ein Fehler, den Lordmaster und die Orna in die Grenzlande zu begleiten. Natürlich war auch Vater während der Grenzkriege hier und kannte sich in der Ödnis aus. Wir haben alles aufgegeben, um das Erbe unseres Vaters anzutreten und ihm bis in den Tod zu dienen, so wie er es getan hat, als er unsere Familie im Stich ließ. All die Entbehrungen und Strapazen, die Madhrab uns zumutet, und die Gefahren, denen er uns aussetzt. Wofür, Hardrab? Sag mir, ob das richtig sein kann.«
    »Warum zweifelst du an ihm, Foljatin? Wir verdanken ihm unser Leben.«
    »Ich weiß, dennoch kamen mir in den vergangenen Monden Zweifel. Was machen wir in den Sümpfen? Wir verstecken uns vor dem Rest Krysons, als wären wir Aussätzige oder Gesetzesbrecher. Aber wir sind höchst ehrenwerte Sonnenreiter. Angehörige des traditionsreichsten Ordens auf Ell. Bewahrer des Erbes eines Lesvaraq. Richter und Wächter über die Gerechtigkeit. Dieses Leben, soweit du es denn in den Sümpfen als solches noch bezeichnen magst, kann er nicht von uns verlangen. Es wird vergeudet. Für nichts und wieder nichts.«
    »Du vergisst, dass wir ihm aus freien Stücken folgten und er nichts von uns verlangt hat.«
    »Ja, aber warum? Er wusste, dass wir uns ihm und dem Andenken an unseren Vater gegenüber verpflichtet fühlten. Er musste seinen Wunsch uns gegenüber nicht ausdrücken. Loyalität und Treue setzte Madhrab voraus. Wir sind Gwantharabs Söhne.«
    »Das ist wahr, und als solche folgen wir ihm, wie es unser Vater für uns vorgesehen hat. Wenn es sein muss, bis zum Gang zu den Schatten«, antwortete Hardrab.
    »Er hat unsere Familie getötet. Ist dir das bewusst?«, forderte Foljatin seinen Bruder heraus.
    »Ich habe oft und lange darüber nachgedacht. Mutter und unsere Geschwister waren verflucht. Geschlagen mit dem dunklen Mal der Bluttrinker; seelenlos, bar jeder Hoffnung und ohne eigenen Verstand stand ihnen ein unwürdiges Leben als Kriecher bevor. Er hat sie von diesem Schicksal erlöst. Anders ausgedrückt hat er unserer Familie im Tod die Würde zurückgegeben. Du solltest Madhrab dafür dankbar sein«, erwiderte Hardrab.
    »Dankbar?« Foljatin schüttelte verständnislos den Kopf. »Der Lordmaster muss dich mit seiner Macht geblendet haben. Du verwechselst Ursache mit Wirkung, mein lieber Bruder. Du erinnerst dich gewiss an Mutters Worte. Wäre Vater nicht für ihn gestorben und hätte Madhrab sein Versprechen ehrlich eingelöst, das er ihm vor dem Tod gegeben hat, dann wäre es nicht so weit gekommen.«
    »O Foljatin. Diese Unterredung führt zu nichts. Wir haben uns gemeinsam für dieses Leben entschieden. Ich bin glücklich und stolz, bei Madhrab sein zu dürfen und das Erbe unseres Vaters anzutreten. Das solltest du auch!«
    »Das mag vielleicht für dich gelten«, ächzte Foljatin, »aber vielleicht trennen sich unsere Wege bald. Ich jedenfalls werde den Rest meines Lebens nicht in diesen verfluchten Sümpfen verbringen. Das Beste wäre, wir lassen diesen armen Kerl einfach an Ort und Stelle krepieren, kehren um und schwören dem Overlord erneut unsere Treue. Yilassa wird uns gewiss dankbar wieder aufnehmen.«
    »Schöne Aussichten!«, sagte Hardrab. »Wir lassen einen Gefährten im Stich. Du glaubst doch nicht ernsthaft daran, dass uns Yilassa freudestrahlend aufnehmen wird. Sie ließ uns mit ihm ziehen, sicher. Und doch gleicht unsere Entscheidung einem Verrat an unserem Orden. Wir folgten Madhrab ausfreien Stücken und haben uns damit gegen Yilassa und die Sonnenreiter entschieden. Selbst wenn sie wollte, könnte sie uns nicht verzeihen. Sie ist der Overlord und unser Schicksal würde in der Grube enden.«
    Foljatin hielt inne, um seinem Bruder in die Augen zu sehen. Offenbar hatten ihn seine Worte ins Grübeln gebracht.
    »Lasst mich hier sterben und rettet euch selbst«, hauchte Mairon mit schwacher Stimme, der die Auseinandersetzung der Brüder verfolgt und sich mit jedem Wort sichtlich schlechter gefühlt hatte.
    Die Brüder Foljatin und Hardrab blieben abrupt stehen und starrten den Mann in ihrer Mitte an, als wäre er ein gerade erst aus den Schatten zurückgerufener Geist, der sich überraschend in ihr Streitgespräch eingemischt und ihre Gedanken gestört hatte. Ein Fremdkörper zwischen den Zwillingen. Mairon hob den Arm, was ihn sichtlich Mühe kostete, und zeigte auf eine nicht weit von ihnen entfernte Stelle. In dem grünlichen Nebel vor ihnen konnte Hardrab nur einen sich bewegenden Schemen erkennen.

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