Kryson 04 - Das verlorene Volk
Sagar, die sich wutschnaubend zu einem neuen Angriff sammelte. Seine eigene Sicherheit war ihm gleichgültig. Kopflos hastete Hardrab los, seinen Bruder zu retten. Todesmutig wich er den heranfliegenden Fangarmen aus und entging ihnen nur mit sehr viel Glück. Das enttäuschte Fauchen der Sagar hörte er nicht einmal. Gleich darauf stürzte er sich – die Luft anhaltend – kopfüber ins dunkle Wasser und schwamm mit zwei kräftigen Zügen wieder nach oben. Das trübe Sumpfwasser reichte ihm an dieser Stelle bis zum Hals. Durch tiefes Wasser und weichen, zähen Schlick watend, kam er nur mühsam und sehr langsam voran. Panik und die schreckliche Angst, seinen geliebten Zwillingsbruder für immer zu verlieren, überkamen ihn. Beim Schwimmen störten ihn jedoch Rüstung und Schwert. Während er weiterhin lautstark Warnungen schrie, versuchte er mit kräftigen, rudernden Armbewegungen sein Vorwärtskommen zu unterstützen.
Die Sagar hatte sofort bemerkt, dass sich ihre Gegner im Wasser befanden und sich ihnen rasch hungrige Panzerechsen näherten. Mit schnellen, stampfenden Schritten eilte sie den Brüdern hinterher. Die Echse gab dabei ein eigenartig triumphierendes und glucksendes Geräusch von sich, so als ob sie sich über die jüngste Entwicklung des Kampfes freute. Die wehrhaften Gegner hatten ihren Jagdtrieb erst richtig angestachelt. Das Spiel konnte beginnen. Das dunkle Wasser der Sümpfe war ihr Element. Hier konnte sie all ihre Vorteile einer tödlichen Jägerin voll und ganz ausspielen. Und diese leichte Beute würde sie sich nicht mehr wegnehmen lassen.
Wo sollten Madhrab und Elischa mit der Suche beginnen? Die Grenzlande waren groß, und die schwer begehbaren Sümpfe erstreckten sich über eine weite Fläche. Aber es gab nur wenig sichere Pfade durch die Sumpflandschaft, was Madhrab als entscheidenden Vorteil ansah. Er kannte Foljatin und Hardrab, sie würden das Wagnis, einen unerkundeten und lebensgefährlichen Pfad zu beschreiten, nur im äußersten Notfall wählen. Das schränkte die ansonsten schier unbegrenzten Möglichkeiten, sich in den Sümpfen zu verlieren, wenigstens ein klein wenig ein, sodass er die Hoffnung, die Brüder zu finden, nicht sofort aufgab.
Auf ihrem Weg hielten der Lordmaster und die Orna mehrmals inne. Madhrab kniete sich nieder, lauschte und suchte nach Spuren, die der Sumpf doch längst verwischt hatte. Aber vielleicht hatte er Glück und würde einen frischen Hinweis über ihren Verbleib finden, der sie auf die richtige Fährte brächte.
Elischa kramte ein altes Holzkästchen, gespickt mit Löchern, aus ihrem Gepäck.
»Was hast du da?«, wollte Madhrab wissen.
»Brünnkäfer«, antwortete Elischa. »Wir Orna setzen dietapferen Tiere als Wegsucher ein. Vor vielen Sonnenwenden besaß ich zwei äußerst zahme Exemplare. Sie sind leider schon lange tot. Diese beiden hier habe ich allerdings erst auf unserem Weg in die Sümpfe gefunden. Es war, als hätten sie geradezu darauf gewartet, dass ich mich ihrer annehme und ihnen die besten Blätter zum Fressen suche. Sie gehorchen zwar nicht so gut wie die anderen und machen manchmal, was sie wollen, aber für die Suche sind sie bestens geeignet.«
Sie zeigte Madhrab die Käfer, setzte sie vorsichtig auf ihre Handfläche und blies ihren Atem sanft unter die leicht geöffneten Flügeldeckel. Diese pumpten daraufhin mehrmals kräftig mit dem Hinterkörper und hoben schließlich brummend ab. Elischa ließ den Lordmaster einen Blick in das Innere der Holzkiste werfen.
»Das ist ... wunderbar«, meinte der Lordmaster erstaunt.
»Es ist vor allen Dingen nützlich«, antwortete Elischa lächelnd. »Sie fliegen schnell und kennen keine Fressfeinde.«
»Und sie kommen immer zu dir zurück?«
»Früher oder später«, zwinkerte Elischa Madhrab verschmitzt zu. »Sie wissen, bei wem sie es gut haben und wo sie stets das beste Futter bekommen. Und Hunger haben sie eigentlich immer. Finden sie allerdings auf ihrem Weg einen Baum mit leckeren Blättern oder einen Partner, der bereit ist für ein ausgiebiges Liebesspiel, kann es schon mal länger dauern. In den Sümpfen dürfte das aber eher unwahrscheinlich sein.«
Gebannt verfolgten Madhrab und Elischa den Flug der Käfer durch den magischen Spiegel im Deckel der Holzkiste. An manchen Stellen wies der Lordmaster Elischa auf einige erhebliche Gefahren hin, die ihnen bevorstünden, wenn sie diesem Weg folgen müssten. Nach einer Weile jedoch schrie Elischa erschrocken auf.
»Hast du es
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