Kryson 04 - Das verlorene Volk
zuvor, und das, obwohl sie wie durch ein Wunder von ihrer Beute abließen. Foljatin lachte, als wäre er verrückt geworden. Gerade hatte er mit seinem Leben abgeschlossen und dann war die todbringende Gefahr von einem Moment auf den anderen vorüber. Hatten die Panzerechsen vor ihm Angst bekommen? Fürchteten sie sich etwa vor seinem Schwert? Nachdem er sich vergewissert hatte, dass die hungrigen Räuber nicht noch einmal die Richtung wechselten, drehte er sich wieder um und lachte dem ihm inzwischen deutlich näher gekommenen Hardrab freudestrahlend entgegen.
»Bruder! Ich danke dir«, rief Foljatin, »du hast den Panzerechsen mit deinem Geschrei und deinem Gezappel einen gehörigen Schrecken eingejagt. Sie haben aufgegeben!«
Hardrab sah seinen Bruder fassungslos an. Wie war das möglich? Da wurde ihm plötzlich bewusst, dass etwas anderes die Panzerechsen in die Flucht geschlagen haben musste. Eine noch viel größere Gefahr in seinem Rücken, die er aus Angst vor dem Verlust seines Bruders beinahe vergessen hatte. Mit den letzten Schwimmzügen erreichte er Foljatin.
»Sei doch leise«, zischte er, »sieh dich um! Die Wasseroberfläche liegt ganz still hinter uns. Wo ist die Sagar? Kannst du sie sehen?«
Foljatin erbleichte. Er blickte Hardrab mit vor Schreck geweiteten Augen an, so als sähe er seinen Bruder nun zum allerletzten Mal. Das also war es, was die Panzerechsen dazu gebracht hatte, von ihm abzulassen. Die Sagar war im Wasser und musste ganz nah sein. Eine leichte Berührung am Bein ließ ihn herumfahren und aufschreien. Aber es war nichts zu sehen. Keine Bewegung. Nichts.
Mit zusammengekniffenen Augen drehten sich die Brüder Rücken an Rücken langsam im Wasser um sich selbst undachteten dabei auf jede Luftblase, die an der Wasseroberfläche zerplatzte.
»Das verdammte Mistvieh ist untergetaucht und lauert unter Wasser auf seine Gelegenheit«, hauchte Foljatin stimmlos.
»Ja ... und wir kämpfen auf verlorenem Posten gegen eine Bestie in ihrem eigenen Revier. Sie spielt mit uns, und wir können nichts dagegen unternehmen«, antwortete Hardrab, in dessen Stimme sich ein leichtes Zittern geschlichen hatte.
»Und wenn wir uns langsam Richtung Ufer bewegen?«, schlug Foljatin vor.
»Das sollten wir versuchen«, stimmte Hardrab zu, »aber ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie den Ersten von uns unter Wasser zieht und schlachten wird. Wir werden das Ufer nicht erreichen. Leb wohl, Bruder. Wir sehen uns bei den Schatten.«
»Leb wohl, Hardrab. So sollte es nicht enden«, antwortete Foljatin und suchte die Hand seines Bruders.
Die Zwillinge fassten einander an den Händen, während sie mit der verbliebenen, freien Hand mit den Schwertern vor sich durch das Wasser pflügten und mit vorsichtigen, unauffälligen Bewegungen den Weg zum Ufer suchten.
»Dort ...!«, schrie Hardrab plötzlich auf.
Er hatte einen riesigen Schatten direkt vor sich im Wasser gesehen. Foljatin hatte ihn ebenfalls bemerkt.
»Das Ungeheuer umkrei…«
Foljatin wurde in seinem Satz jäh unterbrochen, mit einem gewaltigen Ruck von seinem Bruder getrennt und unter Wasser gezogen. Er hatte keine Gelegenheit, nach Luft zu schnappen und sich gegen den plötzlichen Angriff zu wappnen. Hardrab war zunächst ein Stück mitgerissen worden, hatte jedoch die Hand seines Bruders aufgrund der Heftigkeit des Vorstoßes loslassen müssen, um nicht ebenfalls unter Wasser gezogen zu werden. Der Zug war so kräftig, dass er dachte, sein Armwerde ihm ausgerissen. Sofort hatte er Foljatin aus den Augen verloren, konnte jedoch anhand der an die Oberfläche steigenden Luftblasen erkennen, wohin die Sagar ihr Opfer schleppte. Was sollte er tun? Wie gelähmt blickte er den sich langsam entfernenden Luftblasen hinterher. Sein Bruder war verloren und Hardrab wusste, dass auch er im Wasser gegen die Drachenechse keine Chance hatte. In wenigen Augenblicken würde die Jägerin zurückkehren, ihn unter Wasser ziehen und erlegen, so wie sie es mit Foljatin getan hatte. Die Zwillinge stellten nichts weiter als Beute für ein hungriges Raubtier dar. Fressen und gefressen werden. Die Erkenntnis über den bevorstehenden Gang zu den Schatten hatte auch ihr Gutes. Die Angst war auf einmal wie weggeblasen. Er hatte mit seinem Leben abgeschlossen. Nachdem sich die Sagar zuerst Foljatin geholt hatte, gab es für ihn nichts mehr, wofür es sich gelohnt hätte, zu kämpfen. Sein Überlebenswille war gebrochen. Beinahe schon ungeduldig wartete er auf
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