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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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schmerzvollen Ende gehen, bis er zu dieser Erkenntnis gelangte, die Sapius erst mit dem Tod erreicht hatte? Musste auch der Lesvaraq in das Land der Tränen wandern, um von dort verändert und erstarkt nach Ell zurückzukehren? Was wäre, wenn er sich getäuscht hätte und die Lösung doch in einer von den Saijkalrae bestimmten Zukunft läge, so wie Ulljan dies für Kryson vorgesehen hatte. War die beinahe uneingeschränkte Macht der Lesvaraq tatsächlich gut oder führte sie direkt ins Verderben?
    Sapius konnte die ihn drängenden Fragen nicht beantworten. Er wusste nur eines mit Sicherheit: Der Lesvaraq an seiner Seite war gefährlich. Weit gefährlicher, als Sapius es sich hatte vorstellen können oder er selbst jemals gewesen war. Der Magier spürte die innere Zerrissenheit seines Herrn, der zugleich sein Schüler war.
    Irgendetwas quälte Tomal. Sapius hatte sich oft gefragt, was den Lesvaraq so plagte, dass er Nacht für Nacht schreiend und in Schweiß gebadet aus seinen Träumen hochschreckte. An manchen Tagen hatte ihm Tomal von den Schrecken der Nacht erzählt. Der Magier hatte zwar eine vage Vorstellung, konnte sich allerdings nicht sicher sein, weil es Tomal meisterlich verstand, sich zu schützen, und nicht einmal seinen Gefährten Sapius in sein Innerstes blicken ließ. So konnte Sapius nur mutmaßen, dass das Licht und die Dunkelheit stetig um den Bestand des Gleichgewichts im Körper und Geist dieses Lesvaraq gegeneinander kämpften. Kein Unsterblicher war jemals mit den Insignien der Macht wie Tomal gezeichnet worden. Gerieten die gegensätzlichen Kräfte in eine Schieflage, veränderte sich dessen Stimmung und es machte ihn unstet bis zur Grenze des Wahnsinns. Je weiter er heranwuchs, desto deutlicher traten die schizophrenen Züge des zweifachen Wesens in seinem ohnehin schwierigen Charakter zutage.
    An manchen Tagen schien Tomal friedfertig und besonnen. Dann wiederum konnten ihn die kleinsten Anlässe aus der Bahn werfen und änderten seine Stimmung abrupt. Die eigenartigen Ansichten des Jungen waren nicht akzeptabel, gingen sie doch von einer Neuordnung Krysons aus, die das Ende allen bekannten Lebens voraussetzte.
    Tomal wurde jähzornig und gewalttätig, neigte sogar zu Handlungen, die ihn selbst schwer zu verletzen mochten. Besonders die Unberechenbarkeit des Fürsten war mit jedem weiteren Tag schwerer zu ertragen.
    Dabei hatte Sapius durchaus mit sich selbst zu kämpfen. Eine schwere Last drückte ihn seit seinen ersten Tagen im Eispalast. Etwas Unbegreifliches war geschehen, zerrte an seiner Seele, als würde sie ihm gewaltsam entrissen. Anfangs hatte er das Gefühl, etwas Wichtiges in seinem Leben für immer verloren zu haben. Ein Stück seiner selbst. Sapius rätselte lange, woher dieses Gefühl wohl stammen mochte. Bis ihm während einer schlaflosen Nacht schlagartig bewusst geworden war, was die Ursache für seinen Trübsinn bildete.
    Die Verbindung zu den Flugdrachen war unterbrochen. Er wusste nicht, was geschehen war, aber ihm war klar geworden, dass es unmittelbar mit Haffak Gas Vadar und seinem Vater zusammenhing. Seinem Volk und den Flugdrachen musste etwas Schreckliches zugestoßen sein. Sapius wandte sich Hilfe suchend an Tomal, der zu jener Zeit noch ein kleines Kind war. Doch dieser hatte ihn nur ausgelacht und ihm befohlen, stets in seiner Nähe zu bleiben, um ihn zu schützen und ihm sein Wissen zu vermitteln. Sapius gehorchte und schwor, sich nicht ohne den Lesvaraq auf die Suche zu begeben, um das Schicksal der Tartyk und seines Drachen näher zu ergründen. Doch eines Tages würde er darauf bestehen, und Tomal durfte ihm diesen Wunsch nicht abschlagen, wollte er ihr durchaus von Vertrauen und Freundschaft geprägtes Verhältnis nicht gefährden.
    Als es lautstark an der Tür zu seinen Gemächern klopfte, war dies eine willkommene Abwechslung, die ihn aus den trüben Gedanken riss.
    »Herein!«, beantwortete Sapius das drängende Klopfen.
    Die Tür sprang auf. Ein Diener stand zwischen Tür und Angel und verneigte sich vornehm, die Aufforderung zum Sprechen geduldig abwartend.
    »Was will der Kerl, warum spricht er nicht? «, fragte sich Sapius.
    Er erinnerte sich wieder an ein ungeschriebenes Gesetz im Eispalast. Die Bediensteten mussten geduldig warten, bis ihnen das Wort erteilt wurde. Eine Sitte, die er jedoch als Unsitte empfand. Daran hatte sich Sapius nie gewöhnen können. Wohl oder übel musste der Magier das Spiel aber mitspielen, denn die Bediensteten des Hauses

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