Kryson 05 - Das Buch der Macht
war es Nalkaar nicht mehr gelungen, mit ihr auf magischem Wege Kontakt aufzunehmen. Seine Schale hatte zwar eine Verbindung nach Krawahta aufgebaut, aber Rajuru war nicht erschienen. Der Todsänger hatte deshalb gleich, nachdem die Rachuren die Trutzburg eingenommen hatten, einen Boten nach Krawahta geschickt. Die Herrscherin sollte unbedingt von ihrem Sieg erfahren. Die Nachricht über den Verlust der Drachenchimären sollte der Bote nach Nalkaars Vorstellung allerdings höchstens nebenbei erwähnen. Stellte sich der Überbringer der Botschaft ungeschickt an, würde die Nachricht gar den Zorn der Gebieterin entfachen und den Eindruck ihres großen Erfolges trüben. Deshalb hatte Nalkaar dem Boten die Worte regelrecht in den Mund gelegt.
In wenigen Tagen würden die Rachuren mit ihren Chimärenkriegern eintreffen, um mit der Belagerung Tut-El-Bayas zu beginnen. Grimmgour führte die Truppen zur Hauptstadt. Nalkaar machte sich Sorgen wegen des Rachurengenerals. Irgendetwas stimmte mit ihm nicht. Als er ihn zuletzt gesprochen hatte, war er anders als sonst gewesen. Die Müdigkeit des Rachuren war wie weggeblasen und in seinen Augen hatte etwas sehr Gefährliches gefunkelt. Grimmgour hatte auf den Todsänger den Eindruck erweckt, als wäre er plötzlich frei von den Beschränkungen, die Rajuru ihm auferlegt hatte. Oder war es Rajuru gelungen, zu ihrer alten Stärke zurückzufinden?
»Das wäre schrecklich«, fürchtete sich Nalkaar , »all die Mühe wäre umsonst gewesen.«
Auf den Gedanken, der Hexe könnte etwas zugestoßen sein, kam der Todsänger nicht. Zu lange schon hatte er an ihrer Seitegedient, war von ihr abhängig gewesen und hatte sich unterjochen lassen. Er konnte sich nur schwer etwas anderes vorstellen, auch wenn er zielstrebig und emsig darauf hinarbeitete.
Nalkaar hatte das Luftschiff verlassen und war gemeinsam mit Murhab, Thezael, Madsick und Otevour auf den Hügel gestiegen. Leichter Bodennebel lag über der Ebene vor ihnen. In der Ferne konnten sie schwach und gedämpft die Lichter Tut-El-Bayas sehen und schemenhaft die vor der Stadt ausgehobenen versetzten Schützengräben erkennen.
»Die Verteidigungsstellungen der Klan sind klug angelegt. Die Abstände zwischen den Linien sind groß. Wir können uns nur langsam Stück für Stück vorarbeiten. Das müssen Grimmgours Truppen im Sturm erledigen. Unser Gesang wird nicht bis zu den vor der Stadt gelegenen Gräben oder gar bis in die Stadt reichen«, stellte Nalkaar fest. »Die Sicherheit unserer Todsänger wäre gefährdet, würden wir wie bei der Eroberung der Trutzburg zu Fallwas vorgehen.«
»Das wird ein verlustreicher Kampf für die Rachuren, Herr«, gab Murhab zu bedenken.
»Ich weiß, aber ich sehe keine andere Möglichkeit«, antwortete Nalkaar, »seht Euch die Lage der Gräben an. Singen wir für die ersten Reihen, geraten wir mit Sicherheit aus den dahinter gelegenen Stellungen unter Beschuss. Ich sage Euch, wir hätten kaum mit dem Lied der Seelen begonnen, da müssten wir bereits die ersten Ausfälle beklagen. Erst wenn Grimmgours Krieger bis vor die letzen beiden Stellungen gekommen sind, werden wir gefahrlos singen können.«
»Waaas wiiird seeein, sooollteee Grrriiiimmgooour niiicht duuurchkooommeeen?«, fragte Otevour.
»Das wäre schlecht«, antwortete Nalkaar, »wir müssten die Belagerung abbrechen und erfolglos nach Krawahta zurückkehren. Rajuru wäre außer sich. Das darf nicht geschehen! Grimmgour muss die Gräben einnehmen.«
»Was haltet Ihr davon, wenn wir mit der Aeras Tamar über die Stellungen fliegen und den Gesang aus der Höhe über sie bringen?”, schlug Murhab vor. »Wir haben viele Todsänger an Bord.«
»Wie hoch müssten wir fliegen, um außerhalb der Reichweite ihrer Geschütze zu bleiben?«, wollte Nalkaar wissen.
»Ich weiß nicht«, schüttelte Murhab den Kopf, »vielleicht tausend Fuß oder mehr.«
»Eine gute Idee, aber das ist zu hoch«, meinte Nalkaar, »wir müssten in geringerer Höhe fliegen, außerdem besitzen die Klan noch ein weiteres Luftschiff. Ihr erinnert Euch an Euer ehemaliges Begleitschiff. Es würde uns gewiss angreifen.«
»Sicher, aber wenn wir das Schiff vor dem Sturm auf Tut-El-Baya vom Himmel holen, hätten wir in dieser Hinsicht nichts mehr zu befürchten«, sagte Murhab.
»Ihr wollt aufsteigen und das Begleitschiff abschießen?«, wunderte sich Nalkaar. »Damit verraten wir unsere Ankunft und den bevorstehenden Angriff vor der Zeit. Die Klan werden erfahren, dass der
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