Kryson 05 - Das Buch der Macht
werdet lernen, sie herzustellen und richtig einzusetzen. Aber alles zu seiner Zeit.«
Madhrab blickte sich um. Seine Männer waren zu den Schatten gegangen. Ihre Kehlen waren durchtrennt worden. Er selbst war nicht bei den Schatten, sondern auf Ell. Daran gab es keinen Zweifel. Aber der Kontinent hatte sich verändert. Sehr sogar. Lag ein Schleier über dieser Welt oder hatte sein Sehvermögen gelitten? Der Regent rieb sich die Augen.
»Ihr gehört nun mir und seht Kryson mit anderen Augen«, erklärte Nalkaar, der den Regenten die ganze Zeit über aufmerksam beobachtet hatte, »wundert Euch also nicht, wenn Ihr nicht alles klar und deutlich erkennen könnt und Euch die Farben blasser als in Eurer alten Welt vorkommen. Ein Todsänger ist nicht von Kryson. Wir sind kein Teil des Gleichgewichts und stehen zwischen Leben und Tod. Wir sehen alles wie durch einen Nebel, der sich nur dann lichtet, wenn wir singen. Aber kommt, ich möchte Euch die anderen Todsänger und einige Freunde vorstellen. Die meisten kennt Ihr bereits.«
Madhrab hob sein Schwert Solatar auf, das ihm plötzlich schwer vorkam. Er brauchte beide Hände, um das Schwert in die Scheide auf seinem Rücken zu stecken. Das Gewicht drückte ihn unangenehm. Lag Nalkaar richtig, würde er Solatarnicht mehr lange führen können. Die Gabe des Kriegers schwand.
Der Regent war erstaunt darüber, wer den Todsänger unterstützte. Thezael, der Schattenpraister, war einer von ihnen. Auch das Wiedersehen mit Madsick war eine Überraschung. Er hatte den Flötenspieler in einem anderen Leben gemocht, aber ihre neuerliche Begegnung ließ ihn kalt, was daran lag, dass er in seinem untoten Zustand keine Empfindungen mehr hatte. Der Regent hatte Madsick schon lange nicht mehr gesehen, aber sein Flötenspiel hatte er doch über all die Zeit nie vergessen.
Erstaunlich für Madhrab war die Anwesenheit Murhabs im Kreise von Nalkaars Anhängern, von dem er nie gedacht hätte, dass er sich von der Musik des Todsängers begeistern ließe. Offenbar hatte er sich in dem Kapitän getäuscht – Murhab hatte sich als schwächer erwiesen, als Madhrab geglaubt hatte. Oder die Macht des Todsängers Nalkaar war zu stark. Der Regent selbst war schließlich dem Gesang erlegen. Andere Gesichter – außer dem des Fürsten Otevour – waren Madhrab nicht näher bekannt. Die Zahl der Todsänger war groß, er konnte sie sich nicht alle merken.
Nalkaar weihte die Todsänger und ihre Begleiter in seine weiteren Pläne ein, die er bereits der veränderten Lage angepasst hatte. Es galt, die Truppenteile wieder einzusammeln, die nach dem Überfall geflohen und versprengt waren. Diese Aufgabe hatte Nalkaar Murhab zugedacht, den er für einen fähigen Anführer hielt. Der Kapitän sollte die Aeras Tamar reparieren und sich dann mit einer Schar Rachuren und Todsänger auf die Suche nach den Rachuren machen. Hatte er sie gefunden, erwartete Nalkaar, dass er ihre Moral hob und sie nach Tut-El-Baya führte.
Mit Madhrab hatte Nalkaar andere Pläne. Er war sein Trumpf bei der Eroberung Tut-El-Bayas und der Klanlande.Mit seiner Hilfe wollte der Todsänger die Hauptstadt kampflos einnehmen. Denn der Regent hatte die Befehlsgewalt über das Heer der Verteidiger. Seinen Anweisungen mussten die Nno-bei-Klan Folge leisten. Madhrab würde die bedingungslose Kapitulation Tut-El-Bayas mit dem Siegel des Regenten unterzeichnen und die Stadt an Nalkaar, Thezael und die Rachuren übergeben. Das Heer der Klan würde sofort aufgelöst und in alle Winde verstreut werden.
Der Todsänger hatte vor, hin und wieder, in gewissen zeitlichen Abständen, ausgewählte Frauen und Männer der Klan als Sklaven nach Krawahta und in die Brutstätten der Rachuren zu schicken, um Rajuru zufriedenzustellen. Der Plan schien perfekt.
Anschließend würden ihnen nur noch Eisbergen und die Ordenshäuser fehlen. Die kleineren Fürstenhäuser Barduar, Habladaz, Polakov und Menohir hielt Nalkaar für keine Herausforderung. Fallwas war bereits besiegt und Otevour erobert. Fielen Tut-El-Baya, die Ordenshäuser der Orna und der Sonnenreiter und schließlich Eisbergen in die Hände des Todsängers, würden sich die übrigen Fürstenhäuser gewiss freiwillig ergeben. Ganz Ell würde Nalkaar und seinen Todsängern gehören.
Der Sturm auf Tut-El-Baya würde ausbleiben. Die Untoten würden einen kalten Wind aus ihrer fremden Welt mitten ins Herz der Nno-bei-Klan hineintragen.
Madhrab führte Nalkaar und die Todsänger bereits am nächsten
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