Kryson 05 - Das Buch der Macht
unruhig auf und ab, als würde er sich grenzenlos über die Ankunft der Streiter freuen. Die Glöckchen an seiner Flickenkappe schepperten im Rhythmus seiner Sprünge.
»Hoi, hoi, hoi«, begrüßte Tarratar die Streiter, »ist es endlich so weit?«
»Wer seid Ihr und was meint Ihr?«, wollte Vargnar wissen.
»O entschuldigt«, grinste Tarratar, »ich mache immer denselben Fehler und gehe von mir selbst aus. Ich kenne Euch alle schon lange. Aber ich vergaß, dass nur die wenigsten unter Euch schon das Vergnügen hatten, meine Späße zu genießen. Manch einer kennt mich aus einem anderen Leben oder aus seinen Träumen. Aber das ist nicht wichtig. Ich bin Tarratar, der erste Wächter des Buches. Die Suche kann beginnen. Der siebte oder erste Streiter, um in den Worten der Prophezeiung zu bleiben, befindet sich bereits im Haus der heiligen Mutter.«
»Was soll das heißen, die Suche kann beginnen?«, fragte Malidor verärgert. »Wollt Ihr uns damit sagen, dass alles, was bisher geschah, nicht Teil der Suche war und wir einfach nur zur Zusammenkunft in die Ordenshäuser hätten kommen müssen?«
»Niemand hat Euch den Weg vorgeschrieben«, zwinkerte Tarratar, »den habt Ihr gemeinsam bestimmt, genauso wie den Ort Eurer Zusammenkunft. Aber ja, Ihr hättet Euch in den Ordenshäusern treffen können. Hattet Ihr denn einen weiten Weg?«
»Weit?« Malidor verlor beinahe die Beherrschung. »Weit ist gar kein Ausdruck für die Strecken, die wir zurückgelegt haben, und das, was wir durchmachen mussten.«
»Haltet Euch zurück, Malidor«, mischte sich Vargnar ein, »Ihr habt nichts , rein gar nichts mitgemacht, was Euch Anlass geben könnte, Euch zu beschweren. Wir nahmen den Weg, den wir für richtig hielten, und trafen uns am Fuße des Tartatuk.«
»Hoi, hoi, hoi«, sagte der Narr stirnrunzelnd, »das liegt aber sehr weit entfernt von den Ordenshäusern. Wie auch immer, jetzt sind alle Streiter hier und wir können uns um das Buch kümmern.«
Sapius fiel erst in diesem Moment auf, dass Tarratar Tomal bereits zweimal erwähnt hatte. Der Lesvaraq war im Ordenshaus, befand sich also ganz in seiner Nähe. Der Magierhorchte in sich hinein, aber er konnte die Anwesenheit des Lesvaraq nicht fühlen. Da war nichts. Nicht einmal ein Funke seiner Präsenz oder das Gefühl einer nahen Dunkelheit. Wie war das möglich? Der Zyklus hatte sie einst fest miteinander verbunden. Sapius hätte die Anwesenheit Tomals spüren und ihn in seinen Gedanken erfassen müssen. Es gelang ihm jedoch nicht, Kontakt aufzunehmen. Im Gegenteil, der Lesvaraq schien weiter entfernt als jemals zuvor. Plötzlich erkannte Sapius die Wahrheit.
Das Band war zerrissen, der Zyklus des Lesvaraq beendet. Sapius war frei.
Obwohl er im Grunde hätte erleichtert sein sollen, da ihm dieser Umstand eine schwere Entscheidung abnahm, fühlte sich der Magier wie ein Verräter. Er sah sich vorsichtig unter den Gefährten um und betrachtete ihre Gesichter, um zu ergründen, ob sie etwas an ihm bemerkt hatten. Das war anscheinend nicht der Fall. Allerdings fiel ihm auf, dass auch Malidor blass und mitgenommen aussah. Sapius fragte sich, was der Grund für das zerrissene Band war. Hatte es eine Auseinandersetzung zwischen den Lesvaraq gegeben, durch die der Zyklus mit ihm und Tomal beendet worden war? War auch Malidor von Kallyas Bindung frei geworden?
Das würde vieles ändern, insbesondere kämpften sie beide plötzlich für ihre eigene Sache und nicht mehr für die Lesvaraq. Selbst die Suche nach dem Buch der Macht bekam plötzlich eine ganz andere Bedeutung. Für Sapius war stets klar gewesen, dass er es dem Lesvaraq Tomal aushändigen würde. Der Magier nahm an, dass dies bei Malidor gewiss nicht anders wäre und sich sein ehemaliger Schüler für Kallya einsetzte. Sollte er jedoch nicht mehr gebunden sein, würde er für sich selbst handeln. Sapius traute Malidor nicht, er hatte ihn vor langer Zeit als hinterlistig und bösartig kennengelernt. Loyalität und Treue kannte Malidor nicht, wenn es um seinen Vorteil ging.
»Malidor würde seine eigene Mutter verraten«, dachte Sapius misstrauisch bei sich, » ich muss ihn beobachten.«
»Sobald Tomal von seinem Gespräch mit Elischa zurück ist, steigen wir in die Grube«, unterbrach der Narr Sapius’Grübelei.
»Die Grube?«, ging es Sapius durch den Kopf. »Was will Tarratar in der Grube?«
Zwar hatte der Magier selbst daran gedacht, das Buch könnte dort verborgen sein, aber er hatte gehofft, sie könnten diesen
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