Kryson 05 - Das Buch der Macht
denn bis zurück in die Siedlung schafft. Tomal? Der Lesvaraq ist zu mächtig. Das zerstörerische Potenzial in seinen Händen käme einer Katastrophe gleich. Und Vargnar? Ein Draufgänger wie der Felsenprinz könnte großen Schaden anrichten, sollte er eines Tages, von der Machtfülle geblendet, nicht mehr auf seinen Felsenfreund hören. Ich kann keinem von ihnen wirklich vertrauen. Keiner der übrigen Streiter darf das Buch bekommen.«
»Ihr seid skeptisch, nicht wahr?«, nahm ihn Tarratar zur Seite.
»Ich denke darüber nach, ob es richtig ist, mit Euch und den anderen in die Grube zu steigen«, gab Sapius zu, »ich befürchte, wir werden dort unten Zeit verlieren.«
»Ich verstehe«, der Narr wackelte mit dem Kopf und ließ die Glöckchen erklingen, »aber Ihr seid Teil dieser Gemeinschaft.Sie brauchen Euch, wollen sie erfolgreich sein. Wollt Ihr Eure Gefährten wirklich im Stich lassen und einem von ihnen das Buch der Macht anvertrauen?«
»Ich weiß nicht«, sagte Sapius leise, »ich habe andere Verpflichtungen, die auf mich warten.«
»Steigt mit den Streitern in die Grube«, schlug der Narr vor, »nichts ist wichtiger, als das Buch der Macht in den richtigen Händen zu wissen.«
»Ich will das Buch nicht.«
»Ich habe auch nicht behauptet, dass Eure Hände die richtigen sind«, zuckte der Narr mit den Schultern, »wir werden sehen, was uns die Prüfungen bringen. Aber Ihr könntet dazu beitragen, dass derjenige, der sich als würdig erweist, das Buch bekommt und auch behält.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Weil Ihr für das Gleichgewicht eintretet, Sapius«, meinte Tarratar, »und weil Euch nicht daran gelegen ist, das Buch zu besitzen.«
»Ich glaube, keiner der Streiter darf das Buch für sich beanspruchen.«
»Außer Euch selbst natürlich«, ergänzte Tarratar verschmitzt, »das denken die anderen Streiter gewiss über sich und ihre Gefährten jeweils auf ganz ähnliche Weise.«
»Mag sein. Jedenfalls traue ich keinem von ihnen.«
»Umso mehr solltet Ihr mit uns in die Grube steigen und Euch den Prüfungen der Wächter stellen.«
»Schon gut, Tarratar«, murrte Sapius, »ich hatte mich ohnehin für die Suche entschieden. Also werde ich die Streiter bis zum Schluss begleiten.«
»Das freut mich«, sagte Tarratar anerkennend.
Sapius war verblüfft, wie schnell ihn der Narr mit wenigen Blicken umgestimmt hatte. Und er war gespannt darauf, welche Prüfung er ihm stellen würde.Das Wiedersehen mit ihrem Sohn riss alte Wunden in Elischa auf. Sie hatte angenommen, darüber hinweg zu sein. Aber offenbar hatte Elischa in all den Sonnenwenden nicht vergessen, wie der damals noch sehr kleine Tomal zu ihr gesagt hatte: »Ich bin ein Lesvaraq und brauche dich nicht mehr … Mutter wird dich gewiss reich für deine Dienste entschädigen.« Er hatte ihre Gefühle zutiefst verletzt und seine leibliche Mutter einfach weggeschickt. Sie hatte ihm immer zugutegehalten, dass er sie vielleicht nur für eine Amme gehalten hatte. Außerdem erinnerte sie Tomal äußerlich an seinen Vater Madhrab.
»Was willst du von mir?«, fragte die heilige Mutter den Lesvaraq mit kühler Stimme.
»Aber Mutter … dein Sohn will dich nur sehen«, antwortete Tomal und verdrehte dabei die Augen, als ob er in sein Innerstes blicken wollte. »Willst du mir diesen Wunsch abschlagen?«
»Wie könnte ich einem Lesvaraq das Gespräch verweigern? Die heilige Mutter kennt ihre Pflichten.«
Elischa sah ein, dass Tomal seine Abstammung erraten hatte. Hatte Alvara ihn irgendwann über seine wahre Herkunft unterrichtet? In diesem Fall könnte sie wenigstens einen Funken Gutes in ihrem Sohn sehen.
»Du hast es weit gebracht«, lobte Tomal die Orna, »das hätte ich nicht gedacht, als ich dich einst aus dem Eispalast fortschickte.«
»Findest du?«, fragte Elischa schnippisch. »Jedenfalls kann ich das von dir nicht gerade behaupten. Ich hätte erwartet, dass ein Lesvaraq seine Macht benutzt, um das Gleichgewicht im Lot zu halten. Du bist inzwischen erwachsen geworden, Tomal. Gestaltest du Kryson nach deinen Vorstellungen? Bislang habe ich nicht sehr viel von deinen Taten gehört.«
»Dann hörst du auf die falschen Stimmen«, erwiderte Tomal, »ich habe das verlorene Volk der Nno-bei-Maya aus den Schatten geführt.«
»Tatsächlich?« Elischa sah wenig überzeugt aus.
Der Blick der heiligen Mutter fiel auf den Schwertknauf der Waffe auf Tomals Rücken. Erschrocken legte sie die Hand auf ihren Mund und flüsterte atemlos:
»Das ist
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