Kryson 05 - Das Buch der Macht
zeigen, nicht ohne vorher eindringlich gewarnt worden zu sein, sich offiziell anzumelden und um eine Audienz zu bitten.
Sapius hörte Stimmen durch die Tür, als er vor der Kammer angekommen war. Er überlegte, ob er dem Anstand und den Regeln folgend anklopfen und seinen Besuch ankündigen sollte, entschied sich jedoch für die Überraschung, öffnete die Tür und trat ein.
Die Köpfe Yilassas und Renlasols fuhren erschrocken herum und sahen den ungebetenen Gast verärgert an.
»Was fällt Euch ein, unsere Unterredung zu stören?«, herrschte ihn Yilassa ungehalten an. »Dies ist die Kammer des hohen Vaters! Ohne meine ausdrückliche Aufforderung ist es niemandem gestattet, sie zu betreten. Ihr seid ein Eindringling. Ich sollte Euch für Eure Unverschämtheit gefangen nehmen, ins Verlies werfen und bestrafen lassen.«
»Ich muss Euch um Verzeihung bitten«, verteidigte sich Sapius, »es ist für gewöhnlich nicht meine Art, unangemeldet in Unterredungen zu platzen. Aber was ich Fürst Renlasol zu sagen habe, ist von außerordentlicher Wichtigkeit und duldet keinen Aufschub.«
»Dann sagt, was Ihr zu sagen habt, und verschwindet«, meinte Yilassa.
Der Magier zögerte, weil er nicht wusste, ob Renlasol den hohen Vater über das Buch eingeweiht hatte oder nicht. Renlasol merkte ihm die Unentschlossenheit offenbar an.
»Ich habe keine Geheimnisse vor Yilassa«, kam ihm der Fürst entgegen, »Ihr könnt offen sprechen, Sapius.«
»Ihr habt das Buch der Macht in Eurem Besitz«, platzte der Verdacht aus Sapius heraus.
»Wer behauptet das?«, zeigte sich Renlasol erstaunt. »Ihr habt Tarratar gehört. Die Suche endete erfolglos. Das Buch ist verschwunden.«
»So lautete die offizielle Erklärung für alle Streiter, ja«, meinte Sapius, »wir beide wissen jedoch, dass dies nicht wahr ist. Ihr habt das Buch gefunden.«
»Beeindruckend«, klatschte Renlasol dem Magier plötzlich Applaus, »wie konnte ich Euch nur unterschätzen. Ihr seid wirklich klug und habt mich durchschaut.«
»Einigen wir uns darauf, dass ich meine Zweifel hatte und Tarratar einen starken Verdacht gegen Euch hegte.«
»Wie auch immer«, sagte Renlasol, »das Buch hat sich für mich entschieden. Was wollt Ihr dagegen unternehmen?«
»Ich will Euch vor der Versuchung und einem großen Fehler bewahren«, antwortete Sapius, »überlasst mir das Buch. Ich bringe es in Sicherheit und verwahre es für Euch.«
»Wie großzügig und selbstlos Ihr doch sein könnt!«, lächelte Renlasol, während ein seltsam sarkastischer Zug seine Lippen umspielte. »Nur … warum sollte ich Euch vertrauen?«
»Weil ich ein Magier bin, die Gefahren der Macht kenne und mit dem Buch umzugehen weiß.«
»Und weil Ihr denkt, das Buch gehört nicht in die Hände eines Bluttrinkers«, ergänzte Renlasol.
»Das auch«, gab Sapius offen zu, »aber es ist nicht EuerFluch, der mir am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Ich bin der Überzeugung, das Buch der Macht sollte für niemanden zugänglich sein.«
»Außer für Euch!«, stichelte der Fürst.
»Nein«, erwiderte Sapius, »auch für mich nicht. Aber ich werde der Versuchung nicht erliegen, es für meine Zwecke einzusetzen. Ich verstecke es für alle Zeit vor der Welt und vergesse den Ort, an dem ich es verborgen habe. Das ist das Beste für uns alle. Habt ein Einsehen und gebt mir das Buch.«
»Ihr müsst es Euch schon nehmen, wenn Ihr es haben wollt«, provozierte der Fürst den Magier.
»Ihr wollt, dass ich Gewalt anwende?«
»Das überlasse ich Euch, Sapius«, zuckte Renlasol mit den Schultern, »aus freien Stücken werde ich es Euch jedenfalls nicht überlassen. Ich habe durchaus Verwendung für dieses Buch.«
»Ihr seid ein Narr, wenn Ihr glaubt, Ihr könntet damit umgehen und die Folgen eines Eintrags verantworten«, warf Sapius dem Fürsten drohend vor, »aber wenn Ihr mir nicht vertraut und wir uns nicht einigen können, werde ich Eurer Aufforderung folgen und mir das Buch notfalls mit Gewalt verschaffen.«
»Dann seid gewarnt, Sapius«, mischte sich Yilassa ein, »denn Ihr werdet es auch mit einem Bewahrer aufnehmen müssen.«
»Das hatte ich befürchtet«, nickte der Magier ernst. »Erinnert Euch an unser Abenteuer in den Brutstätten, Renlasol. Noch ist Zeit, Euch zu besinnen.«
Die Bemerkung des Magiers verfehlte ihre Wirkung nicht und Sapius hatte den Eindruck, die Gesichtsfarbe des Fürsten würde blasser, als sie ohnehin schon war. Um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen, hob Sapius den Stab des
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