Kryson 06 - Tag und Nacht
es gäbe kein Mittel gegen den Gesang der Todsänger. Wollt Ihr den Feind mit Gegröle übertönen, wie Ihr es schon einmal in der Schlacht am Rayhin versucht habt?«
»Nein«, schüttelte Sapius den Kopf, »das war nicht erfolgreich. Ich möchte etwas anderes versuchen. Die Magie der Stille könnte eine wirkungsvollere Waffe gegen den Gesang sein. Ich kann nicht garantieren, dass es funktioniert. Aber ich glaube, dass es der richtige Weg ist. Nehmen wir an, der Gesang wird durch die Stille unterbunden. Er dringt nicht zu den Opfern durch und lockt somit auch keine Seelen hervor. Der Vorteil durch die Todsänger wäre sofort dahin. Nalkaar könnte auch keine Befehle an seine Krieger weitergeben. Ohne seine Führung und die Unterstützung durch den Gesang ist eine Eroberung der Ordenshäuser ausgeschlossen. Nalkaar würde scheitern. Eine Belagerung wird der Todsänger nicht ernsthaft in Erwägung ziehen. Er weiß, dass sich die Ordenshäuser über Sonnenwenden hinweg selbst versorgen können und die Mauern ohne seine Unterstützung uneinnehmbar sind, wenn sich die Tore von innen nicht öffnen.«
»Euer Vorschlag hört sich zwar eigenartig, aber nicht unmöglich an. Ich frage mich allerdings, wie wir die Sonnenreiter in der Stille befehligen wollen«, gab Elischa zu bedenken.
»Darüber habe ich bereits nachgedacht. Die Rachuren und Chimären brauchen Befehle, sie können nicht selbstständig kämpfen und wissen nicht, was sie tun sollen. Mit Haffak Gas Vadar kann ich mich wie mit den Felsgeborenen über Gedanken verständigen, nicht jedoch mit den Klan, Euch oder den Bewahrern. Ihr müsst sie vorher in unsere Pläne einweisen oder Ihr führt durch Zeichen, so Ihr denn eindeutige Absprachen diesbezüglich habt. Anders als die Rachuren können die Bewahrer eigenständig kämpfen. Sie brauchen keine Führung während einer Schlacht. Die Sonnenreiter folgen ihnen und wo immer die Bewahrer auch zuschlagen, werden sie von den Sonnenreitern unterstützt. Das ist einfach und wirksam. Dennoch bleibt es ein gefährliches Unterfangen. Wir sind den Rachuren zahlenmäßig deutlich unterlegen, wenn mich mein Blick nicht täuscht. Ich weiß nicht, ob sie die Rachuren wirklich aufhalten können.«
»Wozu auch?« Elischa sah Sapius schief von der Seite an. »Wir sind doch sowieso am Ende. Selbst wenn wir die Rachuren in die Flucht schlagen sollten, werdet Ihr unser aller Schicksal besiegeln.«
Sapius kratzte sich verlegen am Kinn. Elischa hatte den Finger auf die Wunde gelegt. Wofür sollten sie noch kämpfen? Wie sollten sie die Bewahrer und Sonnenreiter auf die Schlacht einstimmen? Bislang wussten nur Elischa und er davon. Aber er hatte keinen Zweifel daran, dass Elischa in ihrer Aufrichtigkeit die Ordensschwestern und Bewahrer von ihrem bevorstehenden Ende unterrichten wollte. Er konnte das Schicksal drehen und wenden, wie er wollte, es gab keine Zukunft für die Ordenshäuser, sollte Sapius ihnen das Herz des Kriegers entwenden, was er nach wie vor beabsichtigte.
Er fragte sich, ob es nicht besser war, sich selbst ein Ende zu bereiten, als dem Schrecken der Eroberer und Seelenfresser ausgesetzt zu werden? Er hatte die Brutstätten mit eigenen Augen gesehen und zerstört. Aber was sollte die Rachuren daran hindern, sie an anderer Stelle wieder aufzubauen? Womöglich in den weitläufigen Verliesen der Ordenshäuser oder in der Grube, nachdem sie diese erobert hätten. Das Dasein als Sklave der Rachuren bot für Sapius nichts Erstrebenswertes. Als Todsänger wäre er ein untotes, entstelltes Wesen ohne Seele. Verdammt für die Ewigkeit. Eher würde er sich vorher selbst die Kehle durchtrennen, als sich in ein solches Schicksal zu begeben. Gesteuert von einer bösartigen Kreatur wie Nalkaar. Einer besonderen Art eines verunglückten Magiers, der zwar mächtig sein mochte, in seiner Gestalt jedoch nur begrenzte Möglichkeiten hatte: singen und Seelen fressen.
Sein Blick wanderte nach oben. Dort zog Haffak Gas Vadar seine Kreise. Für einen Augenblick verschwand der Drache hinter einer Wolke, die wie ein riesiger Palast mit Türmen aussah. Der Magier konnte die Panik des Drachen noch immer fühlen.
»Ruhig Blut, mein Freund«
, flüsterte er dem Drachen in Gedanken zu,
»ich bin da und lasse dich nicht noch einmal im Stich. Du brauchst dich vor dem Todsänger nicht zu fürchten. Ich weiß, was ich tun muss.«
»Nimm dich in Acht, Sapius«
, antwortete der Drache,
»dein Vater war ein starker Yasek. Er scheiterte aber an der
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