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Kryson 06 - Tag und Nacht

Kryson 06 - Tag und Nacht

Titel: Kryson 06 - Tag und Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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trieb. Dabei hatte sich Tomal immer als den Lesvaraq der Nacht angesehen und diese Seite des Gleichgewichts eindeutig bevorzugt. Aber Madhrab, sein leiblicher Vater, hatte ihm diese Seite der Macht endgültig genommen. Es war ein Fehler, sich dem Bewahrer zu stellen und gegen ihn anzutreten. Tomal fand, Sapius hätte ihn unbedingt davon abhalten müssen. Aber er hatte ihm in diesem alles entscheidenden Moment nicht zur Seite gestanden.
    »Soll Madhrab doch in den Flammen der Pein schmoren«
, dachte Tomal gehässig,
»er war als Vater ohnehin nie für mich da und am Ende hat er noch mein Leben vernichtet. Was hat es mir gebracht? Ich trage sein Schwert Solatar bei mir. Doch die Hoffnung, auch die Gabe des Kriegers von ihm zu erben, wird schwächer und schwächer. Das Blutschwert wird mit jedem Tag schwerer. Ich kann es kaum noch tragen. Ausgeschlossen, Solatar in einem Kampf einzusetzen. Die verdammte Waffe würde mir den Dienst verweigern. Ich sollte es bald loswerden.«
    Tomal stand der Sinn nach Zerstörung. Er musste seine unbändige Wut freilassen. Anderes Leben vernichten. Danach stand ihm der Sinn. Die Praister in Tut-El-Baya wären ein passendes Ziel gewesen. Aber selbst diese Möglichkeit hatte ihm Sapius genommen. Auf ihrem Marsch Richtung Hauptstadt hatten sie von einem fahrenden Händler erfahren, dass die Schreckensherrschaft der Praister unter der Führung Thezaels ein überraschendes Ende gefunden hatte. Thezael war tot, der Todeshändler und ehemalige Regent Jafdabh mit seinen Getreuen in die Stadt zurückgekehrt, um wieder Ordnung zu schaffen. Den Berichten des Händlers zufolge war es Jafdabh gelungen, die im Kristallpalast verbliebenen Praister zu vertreiben und sogar einige von Nalkaar zurückgelassene Todsänger zu überwinden und in die Flammen der Pein zu schicken. Letztere Nachricht war allerdings nicht mehr als ein unbestätigtes Gerücht. Aber auch das war ohne Bedeutung. Tomal konnte Tut-El-Baya nicht mehr angreifen und seiner Wut freien Lauf lassen.
    Zu allem Überfluss hatte ihn noch der Ruf der Streiter ereilt, der sie nach Kartak, auf die Insel der Nno-bei-Maya rief. Dort sollte die Suche nach dem Buch der Macht ein Ende finden. Dabei hatte er mit diesem unrühmlichen Kapitel seines Lebens bereits abgeschlossen. Aber vielleicht eröffnete es ihm auch neue Möglichkeiten, den Wahnsinn und das Chaos in seinem Kopf in den Griff zu bekommen. Er würde Saykara wiedersehen. Das war gut, denn die Königin ging ihm nicht mehr aus dem Kopf, seit er mit ihr das Lager geteilt hatte. Aber er würde mit leeren Händen kommen, was ihr gewiss nicht gefallen würde. Sein Versagen, der heiligen Mutter die Artefakte abzunehmen, nagte an seinem Selbstbewusstsein. Eine sehr alte Ordensschwester hatte ihn niedergeschlagen und er war erst in der Grube wieder aufgewacht.
    Und dann waren da noch seine beiden Begleiter, Kallya und Malidor. Kallya nervte den Lesvaraq, seit sie sich selbst und ihre Macht als Lesvaraq nach ihrem Duell aufgegeben und sich ihm als seine Magierin des Lichts angeboten hatte. Er hatte nie verstanden, warum sie sich ihm lieber unterworfen und nicht stattdessen den Tod gewählt hatte.
    Von Malidor hielt der Lesvaraq überhaupt nichts. Er mochte ihn nicht und nahm an, dass sich der Magier, der durch Kallyas Entscheidung von seinem Zyklus des Lesvaraq entbunden worden und nun frei war, ihm nur deshalb angeschlossen hatte, weil er Tomal für mächtig hielt. Wahrscheinlich erhoffte er sich Ruhm und Vorteile an der Seite des Lesvaraq. Und er war auf das Buch der Macht aus.
    »Er will sich in meinem Glanz sonnen und erwartet, dass etwas für ihn dabei abfällt
«, dachte Tomal verächtlich,
»Malidor ist ein widerlicher Opportunist und ein Feigling, der sich niemals selbst die Hände schmutzig machen würde. Er würde sich jedem anschließen, der ihm hilft, seine eigenen Ziele zu erreichen. Malidor würde nicht zögern, das Buch der Macht an sich zu reißen und mir dafür einen Dolch in den Rücken zu jagen. Schon die Wahl Kallyas, Malidor als ihren Magier des Lichts anzunehmen, zeigt, wie schwach sie als Lesvaraq eigentlich war.«
    Aber Tomal wusste wohl, dass er auf Gedeih und Verderb auf Kallya angewiesen war. Sie war seine einzige Möglichkeit, die Macht des Lichts zu behalten und zu beherrschen. Ohne sie würde er verwundbar werden und am Ende nicht viel mehr sein, als ein normales Wesen ohne besondere magische Begabung. Die Vorstellung ließ ihn erschaudern. Das durfte nicht geschehen.

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