Kryson 06 - Tag und Nacht
Kopfschmerzen. Er war nicht in der Lage zu unterscheiden, welche Gedanken von ihm und welche von Blyss kamen. Sie fühlten sich völlig gleich und selbstverständlich an. Hätte Blyss ihn heimlich besetzt, er wüsste noch nicht einmal von seiner Gegenwart und könnte ihn auch nicht in seinen Gedanken ausmachen.
»Was willst du, Blyss?«
, fragte Tomal.
»Das weißt du genau! Die Freiheit, ein eigenes Leben, das du mir verweigerst. Aber ich will mich nicht beschweren und gebe mich auch mit weniger zufrieden. Ich will von deiner Macht kosten, Lesvaraq, von der Kraft der Zerstörung und der Schöpfung. Lass mich teilhaben an dem, was du bist. Das soll mir genügen. Dein Sieg ist mein Sieg, deine Niederlage die meine. Tag und Nacht, Tomal!«
Plötzlich frischte der Wind auf und wurde binnen weniger Sardas zu einem tosenden und tobenden Sturm. Ein ungewöhnlich heftiges Gewitter erreichte die Gefährten. Malidor und Kallya sprangen von ihrem Lager auf, als wären sie von einem giftigen Tier gestochen worden.
»Tomal! Wo bist du?« Kallyas Stimme wurde vom Sturm beinahe verschluckt. »Warum hast du uns nicht geweckt und vor dem Unwetter gewarnt? Wir hätten uns längst ein besseres Lager suchen können und wären jetzt im Trockenen.«
Es regnete in Strömen, blitzte und donnerte in kurzen Abständen. Dazwischen hagelte es faustgroße Körner aus den dunklen und schweren Wolken. Tomal trat zu seinen Gefährten.
»Setz deine Magie ein, Kallya«, befahl er, »wir brauchen einen Schutz, der uns über die Nacht warm und trocken halten wird.«
»Du bist unverbesserlich, Tomal«, schüttelte Kallya den Kopf, »wegen eines Sturms verschwendest du meine Kräfte. Es wäre besser gewesen, wir hätten uns rechtzeitig einen Unterschlupf gesucht. Aber gut, jetzt ist es zu spät für einen Aufbruch. Ich lege einen Schild um und über unser Lager. Der Schild wird Regen, Hagel und Blitze abhalten.«
Tomal nickte zustimmend. Nachdem Kallya den Schild aufgebaut hatte, zogen sie ihre nassen Sachen zum Trocknen aus und legten sich wieder an das Lagerfeuer.
»Du siehst verändert aus, Tomal«, sagte Kallya, »was ist mit dir?«
»Nichts«, antwortete der Lesvaraq, »mir geht es gut. Ich erhole mich von meinem Verlust und gewinne langsam meine ursprünglichen Kräfte zurück.«
»Wirklich?«, staunte Kallya. »Das ist gut. Ich hoffe, dass auch das Chaos in deinem Kopf aufhört.«
»Es sieht ganz danach aus«, nickte Tomal.
»Das freut mich für uns alle«, lächelte Kallya, »ich bin wirklich froh, dass ich dir so wunderbar helfen konnte.«
»Mmh …«, brummte Tomal zur Antwort und rollte sich auf die Seite.
Tomal träumte, wie er Kallya das Gesicht zu einer hässlich grotesken Fratze zerschnitt und ihr anschließend die Kehle durchtrennte. Er lächelte im Schlaf. Es war ein wunderbares und befriedigendes Gefühl.
*
Yilassa und Renlasol waren ins Land der Bluttrinker geflohen. Dort hatten sie sich im Riesengebirge eine Höhle gesucht, in der sie beide mit dem Fluch leben wollten. Die Höhle war geräumig und reichte mit vielen Ausläufern und verzweigten Gängen weit und tief in das Innere der Berge. Niemand – so nahmen sie an – würde es wagen, die Bluttrinker dort zu stören.
»Denkst du, es gibt noch andere, zu denen der Fluch zurückkam?«, fragte Yilassa.
»Du meinst die Bluttrinker, die nicht von Madhrab zu Tode gemetzelt und in die Flammen der Pein verbannt wurden?«
»Ja«, nickte Yilassa betrübt.
»Nur wenige haben den Zorn des Bewahrers überlebt«, meinte Renlasol, »einige Kriecher vielleicht und ein paar Bluttrinker, die du an zwei Händen abzählen kannst. Ich glaube schon, dass sie der Fluch früher oder später gefunden hat. Ich bin mir sicher, sie werden kommen. Wir sind eine Familie und der Fluch hält uns zusammen.«
»Was sollen wir tun?«, wollte Yilassa wissen. »Wollen wir uns für alle Zukunft vor dem Rest der Welt verstecken? Wir brauchen frisches Blut, um zu überleben.«
»Quadalkar hat es vorgemacht. Sein Versteck war ein gut gehütetes Geheimnis, das nur die Bluttrinker und einige Händler kannten. Du erinnerst dich, wie schwer es zu finden war. Über Tausende von Sonnenwenden gelang es ihm, sich und seine Kinder zu verbergen. Er verbreitete Angst und Schrecken unter den Sterblichen. Nur die Tapfersten wagten einen Vorstoß in sein Land, das nun unser Land ist. Sie kehrten nicht zurück. Wir werden es wie Quadalkar machen, Helfer und Händler finden, die uns hin und wieder mit Blutsklaven
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