Kryson 06 - Tag und Nacht
Nalkaar war einmal zu oft gescheitert und hatte das Vertrauen seiner Krieger verloren.
Die Gerüchte über Rajurus Fall und die Nachrichten über den Umsturz in der Führung der Rachuren hatten längst die Runde unter Kriegern und Chimären gemacht. Der Todsänger hatte die Nachrichten am Ende nicht mehr aufhalten können. Diejenigen glücklichen Rachuren, die von der Wut der Bewahrer verschont geblieben waren – es konnten nur wenige sein – und den Ausfall überlebt hatten, waren bestimmt längst auf dem Weg nach Hause. Krawahta!
Nalkaar überlegte lange, ob er nicht auch umkehren und sein Glück in der Hauptstadt der Rachuren erneut versuchen sollte. Ein Neuanfang nach seinem Scheitern. Mit Zanmour hatte er sich gar nicht schlecht verstanden und vielleicht würde es ihm sogar gelingen, auch Raymour von seinen Qualitäten als Todsänger zu überzeugen.
Er hätte den neuen Herrschern Krawahtas durchaus von Nutzen sein können. Aber es passte Nalkaar nicht, sich erneut unterordnen zu müssen. Der Todsänger war schon zu weit gegangen. Er war sich fast sicher, sie würden ihn als ein Relikt aus der Herrschaft Rajurus ansehen und als Feind des Umsturzes und der neuen Machtverhältnisse. Tatsächlich war er das auch. Das war ihm selbst am meisten bewusst.
Nalkaar hätte keine Ruhe gegeben, bis er selbst und seine Getreuen die Herrschaft über Krawahta und die Rachuren übernommen hätten. Der erste Todsänger wusste, dass Raymour und Zanmour einen wie ihn nicht neben sich dulden durften. Eine Umkehr und die Reise nach Krawahta kamen daher für Nalkaar nicht mehr infrage. Er musste alleine weiterziehen.
Einen Trumpf und ein Ziel hatte er noch. Sein Gesang war ihm geblieben. Ob mit oder ohne Madsicks Begleitung und die Stimmen seiner Todsänger. Nalkaar war und blieb der erste Todsänger. Seine Stimme und seine Musik waren ausschlaggebend für die Macht des Totengesangs und den Erfolg der Seelenfresser. Die Schönheit und Bewegtheit des Gesangs der Todsänger lagen einzig in seiner Kehle verborgen. Nalkaar wollte Rache nehmen und um die Seele eines Lesvaraq singen, und wenn es das Letzte war, was er tat. Konnte er einem Lesvaraq die Seele entlocken, wäre dies der größte Triumph seines Lebens und würde alles andere in den Schatten stellen. Die Niederlage wäre vergessen.
Nalkaar machte sich auf den Weg, den Lesvaraq zu suchen. Er war sich sicher, er würde ihn eines Tages finden und für ihn singen.
*
Wollte Sapius nach Zehyr, in die Stadt der Nno-bei-Maya hineingelangen, musste er durch den Kratersee tauchen, bis er den unter Wasser gelegenen Eingang gefunden hatte. Sapius war kein sehr guter Schwimmer und hatte Schwierigkeiten, die Luft über längere Zeit anzuhalten. Er würde sich mit Magie helfen und in einen Fisch oder etwas anderes verwandeln müssen, um den Weg durch den See lebend zu schaffen.
Sapius wählte die Gestalt einer Panzerechse. Er wusste nicht, ob der Eingang nach Zehyr bewacht war und welche Gefahren in dem Kratersee lauerten. Panzerechsen waren ausgezeichnete Schwimmer, tödliche Jäger und konnten, regungslos am Grund eines Flusses oder Sees liegend, mehrere Horas die Luft anhhalten. In der Gestalt einer Panzerechse würde er sich sicher fühlen.
Schon bald würde er der sagenumwobenen Königin der Nno-bei-Maya begegnen und ihr das Geschenk überreichen, auf das sie so lange gewartet hatte. Sie war angeblich wunderschön. Verflucht schön. Sapius erwartete jedoch eine Gegenleistung. Ihr Aussehen würde ihm nicht genügen. Das nahm er sich fest vor.
Laut Tarratar war sie in der Lage, ihn im Kampf gegen den vierten Wächter zu unterstützen. Er hatte keine Vorstellung von dem, was ihn in Zehyr erwartete, geschweige denn, was ihm gegen den vierten Wächter helfen würde. Er wusste noch nicht einmal, was oder wer der vierte Wächter war. Tarratar hatte ihn Grenwin genannt. Sapius hatte zuvor noch nie von einem Wesen dieses Namens gelesen oder gehört.
Sapius kniete sich am Ufer des Sees nieder und prüfte die Temperatur des Wassers. Es fühlte sich angenehm warm an und er konnte bis auf den Grund sehen, wo er ein schimmerndes Licht entdeckte. Das Licht musste aus der Stadt kommen, vermutete er. Er wollte sich jedenfalls daran orientieren. Aber er sah auch noch etwas anderes. Wie er schon angenommen hatte, war der Eingang bewacht. Eine monströs große Schlange bewegte sich im Wasser, am Grund in der Nähe des Lichts.
Sapius wusste nicht, ob sie ihn bereits entdeckt hatte und als
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