Kryson 06 - Tag und Nacht
sobald sich Renlasol in Zehyr zeigt.«
»Könnt und wollt Ihr mir verraten, was Ihr von uns erwartet?«, fragte Sapius.
»Gewiss doch«, sagte Tarratar, »es ist kein Geheimnis. Ihr werdet in Grenwins Netz steigen und das Buch herausholen.«
»Ist das alles?«, fragte Sapius verdutzt.
»Das ist alles«, meinte Tarratar.
»Und wo liegt der Haken bei der Sache?«
»Kein Haken. Eine klare Aufgabe und viele gefährliche Gegner im Netz. Ihr werdet nicht nur Grenwin und seine Kinder, sondern auch Peeva überwinden müssen.«
»Peeva? Wer ist Peeva?«
»Eine Riesenspinne.«
»Wenn es weiter nichts ist«, schluckte Sapius.
»Ich warne Euch, Ihr solltet weder Grenwin noch Peeva unterschätzen. Ihr werdet es niemals alleine schaffen und jede Hilfe brauchen«, riet Tarratar. »Wir sehen uns bei den Prüfungen wieder, Sapius. Bis dahin überlegt Euch, wie Ihr diese Aufgabe meistern wollt.«
Der Narr ließ Sapius stehen und hüpfte weiter. Sapius war erstaunt, wie frei und unbeschwert sich Tarratar im Palast bewegen durfte, als wäre er der heimliche König dieses Reiches.
Im Zentrum Zehyrs hatten sich viele Nno-bei-Maya versammelt. Aufgrund ihres erstaunten Raunens und ihrer Rufe vermutete Sapius, dass sie gerade eine Attraktion bestaunten. Er musste lachen, als er sah, was die Maya in Erregung versetzte. Es waren Vargnar und sein Felsenfreund Rodso, die sich angeregt mit Baijosto und Belrod unterhielten. Versteckt hinter dem Rücken eines groß gewachsenen Maya-Kriegers entdeckte Sapius auch Malidor. Bis auf Renlasol und Tomal waren also alle Streiter wieder zusammengekommen.
In Zehyr war es für einen Fremden rasch möglich, jegliches Zeitgefühl zu verlieren. Das Licht der Kristalle konnte – je nachdem wie sie eingestellt waren – darüber hinwegtäuschen, ob es gerade Tag oder Nacht auf Ell war. Sapius fragte einen der umstehenden Maya nach der Zeit.
»Es ist Nacht«, sagte der Maya freundlich, »die Sonnen sind auf Ell untergegangen und der Mond steht am Himmel. Ihr könnt es daran erkennen, dass einige der Kristalle ausgegangen sind und andere sich vom hellen Tageslicht in das Rot der Dämmerung verändert haben. Ihr müsst nur genau hinsehen.«
»Vielen Dank. Das ist sehr aufschlussreich.«
Hätte Sapius nur einen Augenblick länger gewartet, hätte sich die Frage von selbst gelöst. Auf der Treppe stand nun auch der siebte Streiter. Renlasol wurde soeben, begleitet von Maya-Kriegern, ins Zentrum Zehyrs zum Palast der Königin geführt. Der Fürst sah abgemagert und erschöpft aus. Wahrscheinlich hatte er eine anstrengende Reise hinter sich gebracht und lange nichts mehr gegessen. Sapius konnte sich vorstellen, dass es im Südosten Ells schwierig war, an frisches Blut heranzukommen.
Der erste Krieger
N och in der Nacht nach ihrer Ankunft hatten sich die Streiter zusammengefunden und über ihre Erfahrungen der vergangenen Wochen und Monde ausgetauscht. Lediglich Tomal war nicht zu ihrem Treffen gekommen. Sapius erzählte den anderen, der Lesvaraq sei bei der Königin und würde aufgehalten.
Es gab keinen wirklich guten Grund, das Wiedersehen der Streiter zu feiern. Jedenfalls wäre der Anlass nicht die Freude über die Fortsetzung der Suche nach dem Buch gewesen. Alle Streiter fühlten sich in dieser Frage ähnlich wie Sapius, Baijosto und Belrod von den Wächtern des Buches getäuscht. Dennoch waren unter ihnen seit ihrer ersten Zusammenkunft bis zu den Prüfungen in der Grube Freundschaften entstanden. Die gemeinsamen Erlebnisse und überstandenen Gefahren in den Brutstätten der Rachuren hatten Belrod und Vargnar sowie Renlasol und Baijosto, die ein ähnliches Schicksal teilten, näher zueinandergebracht. So waren sie sich im Lauf der Zeit vertraut geworden und brauchten nur wenig Worte, bis sie sich wieder verstanden und es sich bald wieder wie zuvor anfühlte, als sie gemeinsam das Buch gesucht hatten. Obwohl die Stimmung anfangs noch gedrückt war, besserte sie sich mit jedem Krug Bräu zusehends, bis sie schließlich die Zeit vergaßen und ausgelassen bis spät in die Nacht feierten. In manchen schnell und unüberlegt dahingesagten Worten fand sich sogar die Lust auf ein neues Abenteuer wieder. Die Streiter fieberten der letzten Prüfung entgegen. Der Magier weihte sie ein und so wussten sie alle, dass sich ihr Schicksal und das des Buches in einem gigantischen Spinnennetz entscheiden würde.
Am nächsten Morgen wurde Sapius früh in seinem Quartier im Palast der Königin von Lyara geweckt. Er
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