Kryson 06 - Tag und Nacht
Die letzte Bastion der Klan musste in seine Hände fallen.
Sein Blick wanderte über das Lager der Rachuren. Noch war alles ruhig. Die meisten Krieger und Chimären schliefen in der Nähe ihrer Grubenfeuer. Sie schienen von den Veränderungen weit weniger beeindruckt als er. Dennoch hatten auch sie den Lärm, den Gestank und die eigenartigen, stählernen Flugdrachen in dieser Gegend bemerkt, die von Zeit zu Zeit über ihre Köpfe donnerten und ihnen Angst einjagten. Es war seltsam, sie passten nicht zu Nalkaars eigenen Visionen einer ihm gänzlich fremden Welt. Aber die Krieger berichteten ihm davon. Niemand konnte sich erklären, woher sie kamen und was sie wollten.
Schon seit einigen Tagen lagerten die Rachuren in den Grasebenen unweit der Ufer des Rayhin zwischen Tut-El-Baya und den Ordenshäusern der Orna und der Bewahrer. Nalkaar hielt eine längere Rast für ratsam, das Heer musste sich von den Strapazen der vergangenen Monde erholen, neuen Mut und Kräfte sammeln. Seit der Begegnung mit dem Lesvaraq war ihre Moral gebrochen.
Ein Bote war Nalkaar schon am Abend zuvor von seinen Spähern angekündigt worden. Nalkaar wartete ungeduldig auf den Rachuren aus Krawahta. Warum schickte ihm Rajuru ausgerechnet jetzt einen Boten? Wollte sie den Feldzug abbrechen und die Truppen zu ihrem Schutz zurück nach Krawahta befehlen? Sie hätte auch auf anderem Wege mit ihm Verbindung aufnehmen können. War sie zu schwach geworden, ihre Magie einzusetzen?
Das passte Nalkaar ganz und gar nicht. Nicht jetzt, wo er so kurz vor seinem Ziel stand. Der Todsänger hatte Tage gebraucht, das in alle Richtungen zerstreute Heer der Rachuren wieder zu sammeln und Ordnung unter den Kriegern zu schaffen. Die Begegnung mit dem Lesvaraq hatte Nalkaars Eroberungspläne weit zurückgeworfen. Die Zeit war knapp. Eisbergen musste in die Hände der Rachuren fallen. Sie hätten den Choquai vor Wintereinbruch erreichen und überqueren müssen. Es war zu spät. Nun würden sie auf dem Pass über das Riesengebirge abstürzen, von Lawinen verschüttet werden oder erfrieren. Da sie den Weg nicht mehr rechtzeitig schaffen konnten, würde das Heer überwintern müssen. Um Tomal würde er sich erst später kümmern können.
Es war nicht leicht für Nalkaar, den Rachuren und ihren Kriegerchimären die Furcht vor der Macht des Lesvaraq zu nehmen und sie auf die Fortsetzung des Feldzuges gegen die Klan einzustimmen. Würde er sie die lange Zeit bis zum Ende des Winters bei Laune halten können? Eine Frage, die ihn laufend beschäftigte. Noch hatte er keine Lösung gefunden. Die Todsänger konnte er steuern. Sie gehorchten ihm, schließlich gebot er über ihre Seelen. Nicht jedoch über die der Krieger und Chimären.
Er musste sich etwas einfallen lassen. Die Eroberung der Ordenshäuser würde ihm helfen. Die Krieger konnten sich über die Zeit der kalten Monde nach Lust und Laune mit den Gefangenen vergnügen. Das war zwar in Nalkaars Augen abstoßend, aber wenn es seinen Kriegern gefiel, sollte es ihm recht sein.
Das Wichtigste jedoch war, dass er seine Krieger von sich selbst und seinen Fähigkeiten überzeugen musste. Er war anders und sprach nicht ihre Sprache. Oft fand er nur die falschen Worte. Sie mussten ihm und seiner Magie vertrauen. Er würde nicht umhinkommen, ihnen immer wieder seine Macht zu demonstrieren. Es war bedauerlich und grämte ihn, wie schnell sie wieder vergaßen.
Grimmgour war gefallen. Das war einerseits eine Erleichterung für Nalkaar, andererseits bedauerte er den Verlust, da die Krieger Grimmgour als ihren Anführer respektiert hatten. Niemand hätte es gewagt, gegen den Rachurengeneral aufzubegehren. Weder offen noch im Geheimen. Eine Mischung aus Ehrfurcht, Bewunderung und Angst hatte den Rachuren unantastbar und zur Legende werden lassen. Jetzt musste sich Nalkaar selbst um die Krieger kümmern und sich deren Respekt immer wieder aufs Neue verdienen. Gewiss, die Krieger fürchteten ihn und seine Macht. Sie ertrugen den Anblick seines Gesichtes nicht. Aber das reichte nicht, sie für ihn einzunehmen. Die Niederlage gegen den Lesvaraq hatte nicht dazu beigetragen, ihr Vertrauen in seine Fähigkeiten zu stärken.
Rajuru war gewiss nur noch ein Schatten ihrer selbst, nahm Nalkaar an. Der Todsänger hatte freie Hand. Er musste nur noch zuschlagen und schon bald würde ganz Ell ihm und seinen Todsängern gehören. Die Häuser des hohen Vaters und der heiligen Mutter würden fallen, und danach Eisbergen. Mit diesen Erfolgen im
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