Kryson 06 - Tag und Nacht
Geschicklichkeit für diese Aufgabe. Daleima und ich werden die Prüfung überwachen.«
»Eine Spinne, die einen Namen trägt«, sagte Baijosto schaudernd. »Ist euch schon einmal aufgefallen, dass nur die monströsen und tödlichsten Tiere eigene Namen bekommen?«
»Da ist etwas Wahres dran«, nickte Sapius.
»Und was ist mit diesem Grenwin, den Ihr den vierten Wächter nennt«, wollte Malidor wissen, »ist er auch eine Spinne?«
»Nein«, antwortete Tarratar, »er ist ein eigenständiges Wesen. Von seiner Art gab es schon vor Urzeiten nur sehr wenige. Grenwin ist heute der Letzte seiner Art. Ich schlage vor, Ihr steigt in das Netz.«
Die Streiter sahen sich unschlüssig an. Sapius überlegte, ob sie alle gleichzeitig oder nacheinander ins Netz steigen sollten. Vielleicht wäre es besser, erst einen Streiter vorzuschicken, das Netz zu prüfen und nach potenziellen Feinden zu erkunden. Sie hätten immer noch die Möglichkeit – ohne sich im Netz zu verfangen und gleich alle festzusitzen – den Mutigsten unter ihnen von außerhalb des Netzes magisch zu unterstützen. Doch wer sollte das sein? Wer brachte den Mut auf und opferte sich für die anderen, sollte der Versuch misslingen?
»Es wäre gut, wenn wir wüssten, wo im Netz unser Gegner auf uns lauert«
, dachte Sapius.
»Ich steige in das Netz«, schlug Vargnar vor, »die anderen bleiben hier, sichern und warnen mich, falls sich ein Feind nähern sollte. Ich mag keine Spinnen. Warnt mich also rechtzeitig, bevor sie mich erreicht und einspinnen will.«
Sapius war froh, dass sich ausgerechnet der Felsenprinz für diese Aufgabe gemeldet hatte. Der Felsgeborene war einer der mutigsten unter den Streitern. Wenn einer das Buch aus dem Netz holen konnte, dann Vargnar.
»Halt!«, rief der Lesvaraq. »Das kommt nicht infrage. Hat der Felsgeborene das Buch gefunden, wird er es nicht mehr hergeben. Noch steht nicht fest, wer am Ende das Buch in den Händen halten soll.«
»Richten wir uns nach der Prophezeiung, wäre es Renlasol«, gab Sapius zu bedenken.
»Die Prophezeiung ist überholt«, meinte Malidor, »sie galt nur für den ersten Teil des Buches. Im Grunde wäre jeder von den Streitern würdig, das Buch zu besitzen. Dennoch würde ich den Vorschlag unterstützen und Renlasol bitten, für uns in das Netz zu steigen. Er ist ein Bluttrinker. Es heißt, die Bluttrinker seien verdammt schnell. Das wäre ein Vorteil.«
»Das sehe ich anders«, widersprach Tomal, »es gibt nur einen, der würdig und stark genug ist, das Buch zu erhalten, und der auch die Macht des Buches zu schätzen weiß.«
»Und wer wäre das?«, fragte Sapius laut gähnend.
»Ich natürlich«, antwortete der Lesvaraq, »wer sonst?«
»Weshalb steigst du nicht in das Netz, wenn du dich so stark fühlst?«, wollte Sapius wissen.
»Weil ich der Lesvaraq bin. Mächtiger als Ihr alle zusammen. Ich führe die Streiter an und befehle euch, wer mir das Buch bringen soll. Sapius steigt in das Netz!«
»Aber er hat ein steifes Bein, das ihn beim Klettern beeinträchtigt«, warf Baijosto ein. »Ich würde selbst einen Versuch wagen. Die Naiki sind hervorragende Kletterer.«
»Na schön«, stimmte der Lesvaraq zu, »dann eben Baijosto. Es wäre sicherer für Euch, Ihr würdet in der Gestalt des Krolaks ins Netz gehen.«
»Das hatte ich vor«, antwortete Baijosto.
Es dauerte nicht lange, bis Baijosto vor den Augen der Streiter die Gestalt des Krolak angenommen hatte. Die Wandlung war nicht schön anzusehen und schmerzhaft, aber dennoch faszinierte der Anblick immer wieder aufs Neue, wenn sich Knochen und Kiefer verschoben, Muskeln, Pranken und Fell wuchsen.
Der Krolak stieg in das Spinnennetz. Er merkte schnell, dass das Klettern über die klebrigen Fäden eine Tortur werden würde. Das Netz wackelte und zitterte bei jeder Bewegung. Baijosto musste sehr viel Kraft aufwenden, seine Pranken wieder von den Fäden zu lösen, an denen er sich festgehalten hatte. Er blieb immer wieder hängen und kam nur sehr langsam voran. Einen Fuß oder eine Hand hielt er immer frei, um nicht gleichzeitig mit allen vieren hängenzubleiben, was es schwer gemacht hätte, sich wieder zu befreien. Eine falsche Bewegung oder ein zu fester Griff und er wäre sofort gefangen gewesen, wie eine Fliege im Netz einer Spinne.
»Das dauert zu lange«, bemerkte Tomal, »was soll er in dieser Geschwindigkeit für uns erkunden? Ich schlage vor, wir verteilen uns und steigen alle ins Netz. Kennt jemand ein Mittel gegen dieses
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