Kryson 06 - Tag und Nacht
hatten, war schon von Weitem sichtbar. Der Anblick Tausender Drachentürme war atemberaubend.
Die Mutter aller Drachen war stolz auf die Entwicklung ihres Volkes und sie war glücklich darüber, in Sapius den richtigen Yasek gefunden zu haben, der das Überleben der Tartyk und ihrer Drachen für die Zukunft sichern konnte. Sie war froh, dass sie ihm einst ihre letzten Dracheneier geschenkt hatte. Jedenfalls hatte sie ihm das gesagt, nachdem er nach Fee zurückgekommen war. Sapius hatte endlich seine Bestimmung erkannt. Sein Herz und sein Verstand gehörten den Tartyk. Mit seiner Magie konnte er die Drachenreiter beschützen. Sein eigener Weg war der eines Drachenreiters, wie der seines Vaters und Großvaters zuvor.
Aber irgendwann – nach vielen Sonnenwenden – kam Sapius diese Entscheidung falsch vor. Sie stimmte einfach nicht mehr. Für ihn. So unumstritten und mächtig er bei den Tartyk war. Sosehr er auch geliebt und von seinesgleichen anerkannt und respektiert wurde. Das Leben als Yasek belastete ihn mehr und mehr, je länger es andauerte.
Sapius hatte seine Gemahlin, später seine Tochter und noch einige Sonnenwenden danach seinen Sohn zu Grabe getragen. Sein einziger Trost und Begleiter in diesen schweren Zeiten waren Haffak Gas Vadar und die Drachen geblieben. Die Flugdrachen waren unsterblich – solange sie nicht gewaltsam oder durch eine schwere Krankheit zu Tode kamen – und Sapius musste nicht fürchten, ihnen ebenfalls ins Grab nachblicken zu müssen.
Nach dem Tod seiner Familie musste Sapius schließlich miterleben, wie auch seine Enkel und Urenkel starben. Er hatte sie alle geliebt, jeden Einzelnen. Und sie hatten ihren Großvater geliebt. Sicher, sie hatten ihr Leben gelebt und das nicht zu kurz. Aber im Angesicht der Ewigkeit wurden irgendwann auch eintausend Sonnenwenden zu einer kurzen Spanne. Zu kurz für Sapius, um sich noch an seiner Familie zu erfreuen.
Wie viele seiner Nachkommen würde Sapius noch überleben müssen, bevor er selbst in das Land der Tränen ziehen durfte? Er wusste es nicht. Vielleicht käme er niemals dorthin. Allein der Gedanke an das stete und unaufhaltsame Sterben seiner Familie und Freunde schmerzte ihn, bis die Vorstellung eines Tages für ihn unerträglich wurde. Sapius konnte es nicht mehr mit ansehen. Das Sterben überstieg seine Kräfte. Nachdem der Magier die sechste Generation seiner direkten Nachkommen hatte bestatten müssen, hatte er genug von seinem Leben als Yasek und übergab die Führung über die Drachenreiter einem seiner Urenkel aus der siebten Generation.
Die Mutter aller Drachen tadelte ihn zwar ob seiner Schwäche, zeigte jedoch auch Verständnis für seine Entscheidung. Er durfte mit ihrer Erlaubnis gehen. Das Volk der Tartyk fürchtete sich vor diesem Augenblick, der einen Einschnitt und eine große Veränderung für sie bedeutete. Aber sie ließen ihren Yasek schweren Herzens ziehen, denn sie wussten, sie konnten sich auch in Zukunft auf Sapius verlassen. Solange er lebte, war er ihr Beschützer. Selbst wenn er nicht mehr unmittelbar unter ihnen leben oder sie anführen sollte, würde er es niemals zulassen, dass ihnen ein Leid geschah oder gar ihr Überleben in Gefahr geriet.
Die Drachenreiter ließen Sapius aber erst gehen, nachdem sie für ihn ein großes Abschiedsfest ausgerichtet und sein Antlitz in Stein verewigt hatten.
Sapius verließ sein Volk mit trüben Gedanken und zog sich für eine sehr lange Zeit weit entfernt von der neuen Heimat der Tartyk in die ewigen Wälder und Dunkelheit Fees zurück. Haffak Gas Vadar begleitete seinen Freund auch dieses Mal. Der schwarze Drache hätte es nicht ertragen, Sapius alleine zu lassen. Zurückgezogen vom Rest der Welt baute sich Sapius ein neues Leben auf und widmete sich fortan dem Wissen und der Magie. Er forschte und lernte immer Neues hinzu.
Schon seit vielen Sonnenwenden befand sich das Gleichgewicht auf Kryson im Lot. Ein reger Ausgleich zwischen Tag und Nacht.
Gewiss nicht auf Ell, das war Sapius bewusst. Noch nicht. Dort hatte er einst die erste Zeit seines langen Lebens verbracht. Seine Kindheit und Jugend, wenn man diese Phase seines Lebens denn so bezeichnen durfte. Es waren nur sehr wenige Sonnenwenden im Vergleich zu denen, die er inzwischen auf Fee verbracht hatte. Auf Ell gab es für lange Zeit keinen Tag mehr. Jeder Versuch, dies ändern zu wollen, wäre vergebens gewesen. Keine Magie Krysons war stark genug, den Schaden zu beheben, den der Lesvaraq Tomal und das Buch
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