Kryson 06 - Tag und Nacht
immer größer. Es ist gefährlich, sich in Tut-El-Baya aufzuhalten. Thezael scheint seine Finger, Augen und Ohren überall zu haben.«
»Tja … es ist eine Tragödie mit diesem Thezael«, seufzte Jafdabh, »er ist wie ein ruheloser Geist. Ein Schreckgespenst aus dem Reich der Schatten. Ein grausames Monster. Ich werde ihn einfach nicht los. Er hat es auf mich abgesehen und hetzt die Schatten auf mich. Ich kann seinem Rachedurst nur mithilfe des Buches entgehen und mich mit Visionen einer anderen Welt gegen seine Angriffe zur Wehr setzen. Solange meine Gedanken sein Dasein bestimmen, ist er machtlos gegen mich.«
»Aber Ihr müsst doch erkennen, dass das nicht wahr ist. Es ist nur eine Illusion, Jafdabh. Ein Traum, der niemals Wirklichkeit wird«, sagte Sapius.
»Tja … das ist ja das Schlimme«, meinte Jafdabh, »ich habe das wohl gemerkt. Das Buch ist nicht vollständig. Es ist nur ein kleiner Teil, wenige Seiten. Ich kann meine Vorstellung von einer besseren Welt nicht lange genug aufrechterhalten. Sie verschwindet immer wieder und mit jedem Mal kommen mir Thezaels Schatten näher.«
»Es sind nicht Thezaels Schatten«, verbesserte Sapius den Todeshändler, »es sind Schatten, die einem Schattenbeschwörer gehorchen. Jeder Schattenbeschwörer vermag, was Thezael kann. Und was Eure sogenannte bessere Welt angeht, so ist sie eine Katastrophe. Ell stirbt, wenn Ihr nicht sofort damit aufhört.«
»Tja … ich weiß nicht. Seht Ihr das wirklich so? Ich will nur das Beste. Arbeit, Brot und Wohlstand für die Klan. Keine böse Magie mehr. Technik und Fortschritt sind die Schlüssel für die Zukunft«, erklärte Jafdabh. »Wisst Ihr, ich war völlig verzweifelt, als Thezael und die Todsänger triumphierend in Tut-El-Baya einmarschierten. Kampflos … das müsst Ihr Euch vorstellen. Madhrab gab die Stadt und seine Regentschaft einfach auf. Unfassbar. Hätte ich das vorher gewusst, wäre ich niemals zurückgetreten. Dabei sah anfangs alles noch gut aus. Ein Sieg gegen die Rachuren. Aber dann … Madhrab kapitulierte. Thezael kam, sah und tötete meine Familie und viele meiner Freunde und Verbündeten. Ich musste Hals über Kopf fliehen. Ich brauchte einen Plan, ihm und seinen Häschern zu entkommen. Da erfuhr ich von dem Buch der Macht. Ich musste es haben. Es war die Lösung all meiner Probleme. Ich wollte Euch nicht schaden oder Euch verletzen. Das müsst Ihr mir glauben. Aber ich brauchte etwas, womit ich Thezael entgegentreten, den Frieden sichern und meine Träume verwirklichen konnte.«
»Mit dem Teil des Buches wird Euch das nicht gelingen«, behauptete Sapius, »der Preis für den Wohlstand ist zu hoch. Ihr müsst mir das Buch wieder überlassen, Jafdabh.«
»Tja … nun … das kann ich nicht«, lehnte Jafdabh ab, »ich wäre Thezael schutzlos ausgeliefert, würde ich Euch das Buch aushändigen. Die Schatten würden mich früher oder später finden und mich zu ihm zerren. Habt Ihr eine Vorstellung davon, zu welchen Grausamkeiten Thezael imstande ist?«
»Ungefähr, ja«, nickte Sapius.
»Tja … aber wie könnt Ihr dann von mir verlangen, dass ich Euch das Buch gebe?«
»Ich lasse Euch keine Wahl, Jafdabh. Ihr gebt mir das Buch aus freien Stücken oder ich nehme es mir notfalls mit Gewalt.«
»Tja … das dachte ich mir beinahe«, seufzte Jafdabh, »das ist höchst bedauerlich. Aber Ihr habt schon einmal gegen meine Getreuen verloren. Habt Ihr denn keine Angst, dass dies noch mal geschehen könnte? Habt Ihr die magischen Artefakte in den Vitrinen der Flure gesehen? Glaubt Ihr, gegen all das ein Mittel zu kennen?«
»Ja, das glaube ich. Ihr werdet mich nicht noch einmal überraschen und besiegen«, sagte Sapius, fest von seinen Fähigkeiten überzeugt.
»Tja … das ist eine schwierige Lage. Ehrlich gesagt, glaube ich Euch das sogar.« Jafdabh kratzte sich verlegen am Kopf. »Ich will nicht gegen Euch kämpfen. Ich sehe es ein, das ergibt keinen Sinn. Machen wir also einen Handel. Ich überlasse Euch den Teil des Buches und Ihr sorgt im Gegenzug für meinen Schutz. Kümmert Euch um Thezael und die Praister. Erledigt sie ein für allemal. Gelingt Euch das, wäre das ein unschätzbarer Beitrag zu einer besseren Welt. Das ist mein Angebot. Was sagt Ihr dazu? Schlagt ein und gebt mir Eure Hand darauf!«
Jafdabh hielt Sapius wartend die ausgestreckte Hand hin. Sapius musste erst nachdenken. Thezael war kein leichter Gegner. Die Aufgabe war gefährlich und würde ihn Zeit kosten. Zeit, die er nicht hatte.
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