Kubu und der Tote in der Wueste
zu schätzen«, sagte Kubu. »Ich muss jetzt noch jemanden befragen. Guten Appetit wünsche ich dir. Wir sehen uns morgen früh.«
»Das bezweifle ich«, erwiderte Ian. »Ich muss um sechs Uhr los – da bist du vermutlich noch nicht aufgestanden. Die Leiche muss so schnell wie möglich in die Pathologie.«
»Recht hast du!«, antwortete Kubu. »Komm gut nach Hause.« Er ging hinaus auf die Veranda und blickte sich nach Dr. Sibisi um.
Ein paar Tische entfernt zu seiner Linken saß ein junger Schwarzer, der nervös an einem Getränk nippte, wahrscheinlich Cola. Kubu schätzte ihn auf Ende zwanzig, Anfang dreißig. Er war durchschnittlich groß und schmal, aber nicht muskulös, trug eine kleine randlose Lesebrille und erinnerte Kubu an John Lennon in Schwarz. Er war leger in T-Shirt und Shorts gekleidet.
Kubutrat zu ihm. »GutenAbend. Ich binAssistant Superintendent David Bengu. Sind Sie Dr. Sibisi?« Er sprach Sibisi in der Nationalsprache an, anstatt das förmlichere Englisch zu wählen, in der Hoffnung, auf Setswana würde das Gespräch eher wie eine Unterhaltung als wie eine Vernehmung wirken.
Sibisi stand auf, schüttelte Kubu die Hand und stellte sich vor. »Bongani Sibisi.«
»Ich bin froh, dass Sie offenbar doch einen Vornamen haben«, bemerkte Kubu lächelnd. »Keiner scheint ihn zu kennen, schon gar nicht Mr Botha!« Er setzte sich.
Bongani ging bereitwillig auf Kubus Eröffnung ein. »Kann schon sein. Andries weiß nicht so recht, was er von mir halten soll. Ich glaube, er ist ganz in Ordnung, nur in mancher Hinsicht ein bisschen altmodisch. Spielt gerne den Chef.«
»So, und was treibt Sie in den Busch?«, fragte Kubu, Bongani sorgfältig beobachtend.
»Ich bin Ökologe und forsche über Tierpopulationen und die Verbreitung bestimmter Arten. Es hat etwas mit der Belastbarkeit von Trockenlandschaften zu tun, ist also besonders wichtig für die Kalahari.«
»Was bedeutet ›Belastbarkeit‹ in diesem Zusammenhang?«, fragte Kubu.
»Es bedeutet die Anzahl der Tiere verschiedener Arten, die ein bestimmtes Gebiet beherbergen kann, ohne dass die Umwelt ernsthaft Schaden leidet.«
»Aha. Warum haben Sie Andries gebeten, Sie gestern Morgen hinaus zum Kamissa-Wasserloch zu bringen?«
»Die Buschleute nennen das Kamissa-Wasserloch einen heiligen Ort, den ›Ort des Süßwassers‹. Wegen der Wasserqualität soll es der Lieblingsplatz aller Tiere sein. Mit Hilfe von Satellitenaufnahmen haben wir festgestellt, dass in der engeren Umgebung nur wenige Tiere grasen und weiden, was auf eine höhere Konzentration von Pflanzenfressern an diesem Wasserloch im Vergleich zu anderen, nahe gelegenen schließen lässt. Irgendetwas an dem Wasser muss sie tatsächlich besonders anziehen, und ich möchte herausfinden, was das ist.« Er hielt inne. »Ich habe sehr viel höher auflösende Satellitendaten angefordert, um Korrelationsuntersuchungen durchzuführen.«
Kubu hatte über solche Studien gelesen. Dieser Mann musste ein angesehener Wissenschaftler sein, wenn er bei seinen Forschungen auf derart kostspielige Technologien zurückgreifen konnte. Er fragte sich, ob Bongani auch genügend gesunden Menschenverstand hatte, um Probleme zu lösen.
»Was geschah, als Sie an das Wasserloch kamen?«
Bongani spielte mit seinem Colaglas und klimperte mit den Eiswürfeln. Kubu fragte sich, warum er nicht wenigstens um eine Scheibe Zitrone oder Limone gebeten hatte.
»Als wir ankamen, sahen wir einen Schwarm Geier kreisen und hinter den Dünen auf etwas hinunterstoßen. Wir sind zu der Stelle gegangen. Andries wollte wissen, ob Wilddiebe ihr Unwesen getrieben oder ein Löwe ein Tier geschlagen hatte. Als wir die Stelle erreichten, sahen wir sofort, dass es sich um einen toten Menschen und nicht um ein Tier handelte. Die Hyäne hat an den Knochen genagt. Es war furchtbar!« Bongani atmete tief durch und fuhr fort. »Andries dachte zuerst, es sei ein Wilderer gewesen, aber ich habe ihn darauf aufmerksam gemacht, dass die Leiche relativ langes, glattes Haar hatte. Es konnte also nur ein Weißer sein. Mir ist auch aufgefallen, dass nirgendwo Kleidung oder Schuhe zu sehen waren. Die einzige logische Schlussfolgerung war, dass der Mann ermordet wurde und die Mörder die Kleidung mitgenommen hatten, um die Identifikation zu erschweren.« Bongani erzählte das alles in einem
Atemzug und schnappte dann nach Luft.
»Beruhigen Sie sich, Dr. Sibisi«, sagte Kubu. »Wir sind doch nicht auf der Flucht. Wir haben alle Zeit der Welt. Mir
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