Kubu und der Tote in der Wueste
scheint, Sie sollten an meiner Stelle sitzen – Sie würden einen guten Ermittler abgeben.«
Bongani sah ihn an, die Schultern immer noch angespannt und nach vorn gezogen. Er war sehr nervös und schien sich nicht entspannen zu können. Warum wohl?, fragte sich Kubu. »Sie sagten, es seien nirgendwo Kleidung oder Schuhe zu sehen gewesen. Tatsächlich waren auch keine Kleidungsstücke in der Nähe versteckt. Ich habe den Sand rund um die Leiche untersuchen lassen. Ich glaube, wir können tatsächlich davon ausgehen, dass es Mord war.« Er zögerte einenAugenblick. »Finden Sie es nicht merkwürdig, dass der Mörder ausgerechnet in dem Gebiet zuschlägt, in dem Sie Ihre Forschungen durchführen?«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich will auf gar nichts hinaus. Ich möchte wissen, was Sie denken.«
»Tja, vielleicht ist es tatsächlich kein Zufall. Wo es viele Tiere gibt, sind auch viele Fleischfresser. Dieses ausgetrocknete Flussbett führt wie eine Autobahn zu dem Wasserloch. Ein guter Platz, um eine Leiche loszuwerden, vermute ich.«
Kubu fand die Idee äußerst interessant. Bonganis analytische Fähigkeiten passten zu seinem Beruf. Kubu war beeindruckt.
»Das scheint mir sehr gut möglich. Ist es denn allgemein bekannt, dass die Gegend so viel Wild anzieht?«
Bongani nickte.
Kubu fuhr fort: »Wie haben Sie die Fahrzeugspuren entdeckt?«
»Als wir neben der Leiche standen, ist mir aufgefallen, dass der Sand oben auf der Düne eine andere Beschaffenheit hatte. Das kam mir merkwürdig vor, deshalb sind Andries und ich die Düne hinaufgeklettert und haben so die Reifenspuren auf der anderen Seite entdeckt. Jemand hat versucht, sie im oberen Teil zu verwischen. Den Fußspuren nach zu urteilen war es mehr als eine Person.«
Kubu nickte. »Haben Sie die Leiche berührt?«
»Nein. Wir sind auch in einem großen Bogen um den Fundort herumgegangen, um nichts Wichtiges zu zerstören. Wir mussten die Plane darüber decken, haben aber gut aufgepasst, wo wir hingetreten sind. Unsere Spuren müssten leicht zu identifizieren sein – alle anderen waren schon da, als wir eintrafen.«
Kubu nickte lächelnd. »Ich bin beeindruckt! Sie haben wirklich gute Arbeit geleistet. Falls Sie jemals über einen Berufswechsel nachdenken sollten ...« Bongani wirkte immer noch angespannt, rang sich aber ein schwaches Lächeln ab.
Kubu schloss sein Notizbuch. »Ich danke Ihnen für Ihre große Hilfe, Dr. Sibisi. Ich habe Sie aufgehalten, obwohl Sie wahrscheinlich einen langen Tag hatten. Schlafen Sie gut.«
Nachdem Bongani zu Bett gegangen war, bestellte Kubu noch einen Brandy. Es war ein anstrengender Tag gewesen, der nicht viel gebracht hatte. Als der Brandy kam, nahm er einen Schluck, schloss die Augen und bewegte das Getränk leicht im Mund herum. Er liebte die sanfte Schärfe, das Aroma von Zucker und Feuer, und natürlich den köstlichen Duft. Er atmete ein paar Mal durch die Nase ein und aus, um den Geschmack ausgiebig zu genießen. Er seufzte wohlig.
In der Nacht war Kubu zu müde, um einschlafen zu können. Im Bett versuchte er, seine Gedanken zu ordnen. Bongani hielt er für einen guten Kerl, sehr intelligent. Er könnte ihm eine große Hilfe sein. Aber warum war er so nervös? Hatte seine Familie Probleme mit der Polizei, oder gab es eine Jugendsünde? Nicht sehr wahrscheinlich. Nach etwa einer Viertelstunde verbot sich Kubu, weiter darüber nachzudenken. Er brauchte seinen Schlaf. Als er mit geschlossenen Augen dalag, schwebten Mozarts Melodien durch seinen Kopf. Nachdem er einige Stücke vor und zurück gehört und sogar versucht hatte, eine Arie aus der Zauberfl öte zu dirigieren, gab er auf und kehrte wieder zu dem grausigen Flusslauf zurück.
Es gab viele wichtige Fragen, auf die er noch keine Antwort wusste. Erstens: Wer war das Opfer? Und zweitens: Warum hatte niemand diese Person vermisst? Die dritte Frage war, warum sich die Mörder so viel Mühe gegeben hatten, die Identifikation der Leiche zu erschweren oder vielleicht sogar unmöglich zu machen. Und die vierte Frage ... Doch die vierte Frage entschlüpfte ihm. Sie war aus seinem Gedächtnis verschwunden und hatte sogar die Zauberfl öte mitgenommen. Alles, was blieb, war der Rhythmus seines eindrucksvollen Schnarchens. Joy Bengu liebte ihren Mann von ganzem Herzen und vermisste ihn, wenn er auf Reisen war, aber wenn sie allein zu Bett ging, dann mit einer gewissen schuldbewussten Erleichterung.
Kapitel 5
Am nächsten Morgen nahm Kubu die vierte Frage
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