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Kuche Totalitar - Wladimir Kaminer

Titel: Kuche Totalitar - Wladimir Kaminer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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Engländer besetzten Baku und erschossen dort die legendären sechsundzwanzig Kommissare Bakus, unter denen auch einige Armenier waren, bevor sie wieder verschwanden. Danach wurde die unabhängige bürgerliche Republik Armenien gegründet.
    Zwei Jahre später wurde das Land noch einmal unabhängig – als sowjetische sozialistische Republik. Die armenische Küche, eine der ältesten der Welt, bekam einen Ehrenplatz im Kochbuch des sozialistischen Imperiums. Besondere Merkmale dieser Küche sind Salate, Gras und Gewürze, die in der restlichen Welt als nicht essbar gelten, die originell zubereiteten Fleischgerichte, die zarten Süßigkeiten und das Nationalgetränk, der Kognak Ararat.
    Dieses Getränk sorgte für die ersten Erfahrungen, die ich mit Alkohol gemacht habe – auf dem Balkon im sechzehnten Stock eines Neubaus, während ich meinen Schulkameraden Arthur besuchte, um angeblich mit ihm zusammen Hausaufgaben zu erledigen. Seine Mutter arbeitete als Kellnerin in einem armenischen Restaurant in Moskau. In der Sowjetunion war es Sitte, nach Feierabend Kleinigkeiten von der Arbeit mit nach Hause zu nehmen, zum Andenken an einen gelungenen Arbeitstag. Arthurs Mutter brachte täglich fünfjährigen Kognak der Marke Ararat nach Hause. Sie hatte sich mit diesem Getränk bereits für den Rest ihres Lebens eingedeckt und längst den Überblick über ihre Vorräte verloren. Auf Einladung von Arthur tranken wir zu zweit, beide damals noch minderjährig, auf dem Balkon seiner Wohnung eine Flasche aus.
    Der Ararat schmeckte so süßlich, dass wir Kinder ihn nicht als giftigen Alkohol identifizierten und, ohne es zu merken, schnell betrunken wurden. Arthur fing an, mit Topfpflanzen zu jonglieren, bis auch die letzte heruntergefallen war. Ich fühlte mich wie ein Fallschirmspringer, der zufällig auf einem falschen Balkon gelandet war. Alles drehte sich, der Boden löste sich unter meinen Füßen auf, ich musste mich übergeben. Abschließend wurden wir noch von Arthurs Mutter kräftig verdroschen. Es war jedoch eine wichtige Erfahrung. Seitdem trinke ich nie wieder armenischen Kognak auf einem Balkon im sechzehnten Stock.

Kottbusser Lamm
    »Dumm gelaufen, die Schlacht im Teutoburger Wald. Hätten die Barbaren damals die Römer nicht verprügelt, wäre in Deutschland einiges anders gelaufen und das deutsche Essen heute um einiges leckerer«, sinnierte mein Freund Alik. »Vor allem hätten wir hier eine viel feinere Küche: Risotto statt Klopse, guten Rotwein, optimistische Volksmusik, und alle Nachrichtensprecher wären Blondinen mit Locken und großem Busen! Aber sie mussten ja die Römer verjagen aus ihrem tollen Wald, und was haben sie nun davon? Döner Kebap!«, hob Alik den Zeigefinger.
    Eigentlich hatte mein Freund nicht ganz Unrecht, irgendjemand musste aber bei dieser Diskussion auch den Standpunkt der Barbaren verteidigen. Immerhin kämpften sie gegen eine fremde Besatzung für ihre Unabhängigkeit.
    »Ich mag Klopse!«, sagte ich deswegen. »Und du kennst doch die deutsche Küche kaum. Pinkelwurst, Spinatauflauf, Eintopf, Zweitopf… Und mit optimistischer Volksmusik ist Deutschland geradezu verstopft, davon gibt es hier einen Riesenhaufen: Marianne und Michael und wie sie alle heißen. Du wärst doch als Erster vor dieser Musik in den Wald gelaufen, sei also dankbar, und Hände weg von der deutschen Kultur, die so unaufdringlich ist.«
    Unsere kulinarische Diskussion brach bei der Vorbereitung einer internationalen Grillparty aus. Die deutschen Kollegen waren für die Technik zuständig, sie sollten Kohlebriketts besorgen und die Grillanlage montieren. Wir hatten vor, unsere Freunde mit selbst gemachtem Lammspieß zu beeindrucken. Dabei hatte sich Alik gleich zu Anfang als der letzte wahre Lammspießer unseres Planeten aufgespielt. Meine Hilfe nahm der große Meister trotzdem gern in Anspruch, um sich während der Arbeit nicht zu langweilen. Nun saßen wir im Stau auf dem Weg nach Kreuzberg fest, und ich hörte mir seine Lektion über die Bedeutung des Lammspießes in der Entwicklung der Weltgeschichte an.
    »Viele unterschiedliche Kulturen haben sich an diesem Gericht versucht, und alle sind gescheitert. Es reicht nicht nur, das Rezept zu kennen, viel wichtiger ist die Erfahrung. Nur Armenier, die in Baku aufgewachsen sind, können es richtig, weil dort jeder Tag am Spieß beginnt und am Spieß endet.«
Ich glaubte Alik sofort, schließlich war er selbst ein Armenier, noch dazu aus Baku, und wusste also, wovon er

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