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Kuche Totalitar - Wladimir Kaminer

Titel: Kuche Totalitar - Wladimir Kaminer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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fünfzehn Minuten einwässern, danach die Haut entfernen. Die Nüsse in heißes Wasser tauchen, abgießen, mit Puderzucker bestreuen, frittieren und anschließend abkühlen lassen. Vor dem Servieren vorsichtig mit Himbeeren vermischen.

WEISSRUSSLAND
    Weißrussland ist ein osteuropäischer Staat zwischen Polen, Litauen und Russland, so groß wie die halbe Bundesrepublik. Wenn in Deutschland die gesamten Siedlungsgebiete etwa zwölf Prozent des Territoriums beanspruchen, sind es in Weißrussland nur vier Prozent. Der gesamte Staat hat weniger Einwohner als BadenWürttemberg.
    Die Geschichte Weißrusslands ist ziemlich spektakulär. Das Land war nämlich nicht immer Weißrussland, mal firmierte es als Polen, mal als Litauen, mal als Russland. Über Jahrhunderte wurde diese Gegend von den östlichen Nachbarn als eine Art Schutzschild gegen die Feldzüge des Westens benutzt, wobei der Feind sich nie sicher sein konnte, ob er schon im Osten oder noch im Westen war. Weißrussland hat keinen Zugang zum Meer und keine hohen Berge, dafür aber viel Wald und Moor. In diesen Wäldern und Sümpfen haben sich im Laufe der letzten Jahrhunderte fast alle Armeen verlaufen, die ihr Glück im Osten zu suchen wagten. Kaiser, Fürsten und Könige, kluge Generäle und angehende Weltherrscher haben in der weißrussischen Wegelosigkeit vor der Zeit und ruhmlos ihre Karriere beendet. Einige von ihnen blieben für immer dort, andere kamen als überzeugte Pazifisten zurück: Dann gaben sie sich Mühe, ihre persönlichen Erfahrungen in dicken Memoiren niederzuschreiben, um die nachkommenden Generationen zu mahnen. Mit diesen Werken kann man inzwischen eine ganze Hausbibliothek füllen. Sie haben verheißungsvolle Titel wie Mein Leben im Sumpf, Die Rache des Partisanen, Die Schatten verschwinden um Mitternacht und eine klare Botschaft: Geht da bloß nicht hin! Marschiert lieber zum Südpool oder nach Australien. Die Welt ist groß, denkt euch etwas aus, aber kommt nicht in die Nähe der weißrussischen Wildnis. Doch die jungen Eroberer hörten den alten nicht zu. Sie hielten die Alten für Loser und waren fest davon überzeugt, ihnen würde schon nichts passieren. Manche waren auch geschickt. Napoleon zum Beispiel führte seine Armee um die Wälder herum, geriet aber dann beim Rückzug doch noch ins Dikkicht, und schon war sein Krieg gelaufen. Abschließend, in der Verbannung auf der Insel der heiligen Helena, begann Napoleon an seiner Trilogie Meine besten Abenteuer zu schreiben. In diesem Werk sollten unter anderem seine Begegnungen mit den östlichen Ländern thematisiert werden. Jedes Mal aber, wenn es um Weißrussland ging, regte sich Napoleon dermaßen auf, dass seine Ärzte ihn vom Weiterschreiben abhielten. Und so blieb seine Trilogie unvollendet.
    Das Merkwürdigste ist, kein Mensch weiß, was in den weißrussischen Wäldern wirklich passiert ist. Eigentlich sind die Weißrussen keine geborenen Krieger, sie sind freundlich, höflich und intelligent. Vielleicht verwandeln sie sich im Wald, wenn sie sich wegen einer fremden Armee dorthin flüchten. Im Übrigen musste sich jeder Eroberer schämen, einen Krieg gegen Weißrussland zu führen, denn dort war außer Pilzen und Beeren nichts zu holen, und weder der Sozialismus noch die Zeit danach haben daran etwas geändert. Der Eindruck, Weißrussland sei eine Art Naturpark mit Partisanen darin, ist aber auch nicht ganz korrekt. So hat das Land zum Beispiel auch Großstädte, vier oder fünf, dazu noch einige kleine Flüsse sowie gigantische Kartoffelfelder. Die weißrussische Kartoffel ist die größte der Welt.
    Selbst zu Zeiten der sozialistischen Planwirtschaft ging es Weißrussland nicht ganz schlecht. Im Bund der sozialistischen Republiken war es unter anderem für die Produktion von Gasherden und Waschpulver zuständig. Die weißrussischen Chemieprodukte galten auch im kapitalistischen Ausland als preisgünstig, giftig und effektiv. Japan und die USA kauften dort gerne Chemikalien ein, die sie für zu gefährlich hielten, um sie bei sich zu Hause zu produzieren. Darüber hinaus versorgten die weißrussischen Atomkraftwerke die halbe Sowjetunion mit Strom, die Kartoffeln wurden jedes Jahr größer, und die Bevölkerung strahlte.
    Nach dem Fall der Sowjetunion kam in Weißrussland wie in allen anderen Republiken eine »nationale Demokratie« an die Macht. Dringend wurde nach einer unverwechselbaren weißrussischen Identität in Wald und Feld gesucht. Die weißrussische Sprache sollte

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