Kuche Totalitar - Wladimir Kaminer
Alarmknopf. Deswegen hat niemand in Novopolozk diese Sirenen wirklich ernst genommen. Nur die alten Leute trugen ihre Gasmasken gewissenhaft mit dem Rüssel nach vorne, wie es in der Gebrauchsanweisung empfohlen war. Die jüngeren trugen ihre Gasmasken aus Protest mit dem Rüssel nach hinten, außerdem schnitten sie große Löcher in die Masken, damit sie atmen und sehen konnten.
In Novopolozk lief sogar der Briefträger mit einer Gasmaske durch die Stadt, was seinen ohnehin schwierigen Job noch komplizierter machte. Die beiden Hauptstraßen in Novopolozk waren nach den beiden berühmtesten weißrussischen Dichtern benannt, deren Namen ganz ähnlich klingen: Janka Kupala und Jakub Koloss. Die Briefträger konnten sie nie voneinander unterscheiden. Zum Glück kannten sich fast alle Bewohner in Novopolozk persönlich und tauschten die Briefe anschließend untereinander aus.
Neben solchen Geschichten erzählte uns Gleb auch Näheres über die weißrussische nationale Küche. Er hat uns im Grunde damit ein ganzes Jahr in der Armee gefüttert und große Weißrussland-Fans aus uns gemacht. Auf den ersten Blick kann diese Küche öde und eintönig erscheinen, weil sie fast ausschließlich aus Kartoffelgerichten besteht. Den echten Weißrussen stört das aber nicht. Er weiß, dass diese Eintönigkeit eine Diät ist, die nicht in wissenschaftlichen Labors ausgetüftelt wurde, sondern aus der Weisheit des Volkes kommt. Die Folgen dieser Kartoffeldiät sind nicht zu übersehen. Es gibt in Weißrussland kaum Übergewichtige, die Bürger leben lange und sehen gut aus. Dabei ist die Kartoffel keine weißrussische Erfindung. In früheren Zeiten ernährten sich die Weißrussen vornehmlich von Mohrrüben. Erst Zar Peter der Große brachte die Kartoffel nach Weißrussland, im Zuge einer allgemeinen russischen Kartoffelreform. Laut der Legende musste sich Peter keine große Mühe machen, um die Bevölkerung für die neue Speise und ihren Anbau zu begeistern. Er ließ rund um das erste Kartoffelfeld Schilder aufstellen, die einem Dieb mit der Todesstrafe drohten – und gleich in der ersten Nacht wurde das ganze Feld leer geräumt.
Schnell wurde dieses Gemüse zu einem Symbol des weißrussischen guten Geschmacks. Was dem Ukrainer der Speck, dem Deutschen das Sauerkraut und dem Italiener die Spaghetti, ist dem Weißrussen seit dem achtzehnten Jahrhundert die Kartoffel. Zum Frühstück werden Bratkartoffeln gegessen, zu Mittag gibt es Kartoffelsuppe, Kartoffelpüree mit Salzgurken und Kartoffelpuffer mit Marmelade als Dessert. Zum Abendessen werden Backkartoffeln gemacht, dazu wird Schnaps getrunken, der aus Kartoffelschalen gewonnen wird.
In den letzten Jahren geriet die weißrussische Küche zunehmend unter den Einfluss der westlichen Kultur. Immer öfter werden zu den Kartoffeln amerikanische Hühnerschenkel, im Volksmund »Bush-Schenkel« genannt, oder deutsche Bockwürste serviert. In dem bekanntesten hauptstädtischen Restaurant »Minsker Brower« empfiehlt der Koch: »Weiße Großkartoffeln mit Schweinefuß«, in dem jeder Deutsche sofort ein Eisbein erkennen würde.
Weißrussische Küche
Alle Zutaten sind für vier Personen berechnet.
Ein alltägliches Gericht auf weißrussischem Tisch sind ungeschält gebackene Kartoffeln, auch »Uniformierte« genannt. Sie werden im Ofen oder in Lagerfeuerasche gebacken.
Gebackene Kartoffeln Zutaten:
8 mittelgroße Kartoffeln, Salz
Zubereitung:
Kartoffeln waschen, mit der Gabel anstechen, damit die Pelle nicht platzt, mit Salz einreihen und dreißig Minuten backen. Heiß mit frischen oder gesalzenen Gurken, Tomaten, Zwiebeln, Butter und Hering servieren.
Vorspeise
Hering mit Kartoffeln gebacken
Zutaten:
250 g Heringsfilet, 5 – 6 Kartoffeln, 1 Zwiebel, 15 ml Pflanzenöl,
100 g Crème fraîche, 1 Ei, 2 EL Paniermehl
Zubereitung:
Die Kartoffeln schälen und in leicht gesalzenem Wasser kochen. Das Heringsfilet klein hacken, die Zwiebeln klein hacken, in Öl braten und mit dem Hering vermischen. Die Kartoffeln in Scheiben schneiden und in der Pfanne verteilen, darauf den Hering mit Zwiebeln geben. Crème fraîche mit dem Ei vermischen und in die Pfanne gießen. Das Gericht mit Paniermehl bestreuen und zehn Minuten bei 180 Grad im Ofen backen. Heiß servieren.
Suppe
Kartoffelsuppe auf weißrussische Art Zutaten:
200 g Salzpilze, 2 Zwiebeln, 3 Kartoffeln, 3 EL Pflanzenöl, 1 ½ l Milch, Salz
Zubereitung:
Die Salzpilze in schmale Streifen schneiden und fünf Minuten in
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