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Kuckuckskind

Kuckuckskind

Titel: Kuckuckskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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nicht direkt giftig sind. Heute, am dritten Adventssonntag, fahre ich an einen künstlichen Teich und füttere übergewichtige Enten, die aus purem Futterneid keinen Krümel verkommen lassen; Schnee ist nicht in Sicht, es regnet dafür in Strömen.
    Trotz meines Fiaskos als Bäckerin werde ich die Chorprobe morgen nicht ausfallen lassen. Schließlich kann man Plätzchen auch kaufen, und vielleicht sollte ich gar nicht erst mit den perfekten Hausfrauen konkurrieren, sondern etwas völlig anderes für die Feier besorgen: etwa 500 Teelichter oder ein paar Flaschen Rotwein.
    Nach der traurigen Entenbescherung komme ich durchnässt wieder zu Hause an. Da mich heute niemand mehr zu Gesicht bekommen wird, ziehe ich einen schlabberigen Jogginganzug und bequeme Latschen an. Reichlich verdrossen blättere ich in einer Broschüre der Lehrergewerkschaft, trinke Pfefferminztee und fühle mich einsam. Draußen ist es dunkel und eklig. Plötzlich höre ich ein seltsames Rumpeln, und kurz darauf kracht etwas von außen gegen die Wohnungstür. Furchtlos schaue ich nach und entdecke die vergammelte Unterlage, auf der ich eine Weile selbst geschlafen hatte. Auch Patrick [145] poltert die Mansardentreppe herunter, entschuldigt sich für die Störung und zerrt die Matratze für eine weitere Rutschpartie in Position.
    »Warte, ich helfe dir!«, rufe ich. »Lass uns zu zweit anpacken. Was hast du für Pläne mit diesem Paradebett?«
    Mein Vermieter bleibt stehen, verschnauft und teilt mir mit, was ich längst weiß: dass seine Frau zu Besuch komme. Er werde ihr das Schlafzimmer überlassen und sich selbst im Nebenraum ein Lager bereiten.
    »Meine Frau pflegt morgens lange im Bett zu bleiben«, sagt er, um seine Ausquartierung zu erklären.
    Ach, komm, will ich sagen, du kannst doch ruhig zugeben, dass ihr kein Paar mehr seid. Aber ich lächele nur verständnisvoll, denn Patrick scheint ähnlich miese Laune zu haben wie ich.
    »So ist das meistens«, schimpft er, als wir unten angekommen sind. »Wenn man seinen Sohn braucht, ist er nicht da. Kannst du mir bitte mal die Tür aufhalten!«
    Zu zweit rücken wir den Schreibtisch beiseite und schleifen die Matratze in eine Ecke des Arbeitszimmers. Warum ich sofort aus den Pantoffeln schlüpfe und auf der hubbeligen Unterlage wie ein übermütiges Kind herumhopse, kann ich mir eigentlich [146] selbst nicht erklären. Vielleicht liegt es am Trainingsanzug.
    »Davon wird sie auch nicht besser«, knurrt Patrick, greift nach meiner Hand und will mich vom Trampolin ziehen.
    Dabei verliere ich jedoch das Gleichgewicht, und eh wir uns versehen, purzeln wir beide in ein weiches Glück. Anstatt uns sofort wieder aufzurappeln, bleiben wir minutenlang liegen, halten uns umschlungen und schütten uns aus vor Lachen. Die Kordel meiner ausgeleierten Hose hat sich beim Absturz in Patricks größtem Ring verfangen. Nun ist meine gesamte Unterbekleidung ein Stückchen heruntergerutscht, aber das scheint er nicht zu bemerken.
    Peinlich, wenn jetzt Manuel hereinplatzte, denke ich, aber er ist ja sicher noch eine Weile bei seiner Freundin.
    Leider richtet sich Patrick als Erster wieder auf, drückt mich noch einmal kumpelhaft gegen sein Bäuchlein und sagt leicht verlegen: »Danke für die Unterstützung!«
    Ich fühle mich entlassen, ziehe mir die Hose hoch und schleiche wieder nach oben. Dort schmeiße ich mich aufs Sofa und weine vor Freude und gleichzeitig vor Enttäuschung. Patrick ist kein schlanker junger Mann, sondern eher klein und rundlich, doch gerade das gab mir ein lang entbehrtes Gefühl der [147] Geborgenheit. Er roch gut, seine Hände waren warm, sein Lachen war hinreißend. Das wird noch, Anja, tröste ich mich, heute war der falsche Tag, der falsche Ort. Jeden Moment hätte Manuel heimkommen können, die Sängerin wird demnächst erwartet, und die Matratze stinkt… Wir werden uns gedulden müssen, bis die Diva wieder abgereist ist.
    Plötzlich fährt mir ein neuer Gedanke durch den Kopf: Habe ich womöglich einen Ödipuskomplex? Patrick ist fünfzehn Jahre älter als ich. An meinem Papa habe ich sehr gehangen; ist mein Lover eine Art Vaterersatz für mich? Früher habe ich mich über große Altersunterschiede bei Paaren stets mokiert, da es mir immer nach dem Motto abzulaufen schien: Sugardaddy sucht Frischfleisch. Patrick als Lustgreis zu bezeichnen wäre allerdings abwegig. Wahrscheinlich hat er mich genau wegen solcher Skrupel nicht geküsst.
    Am Montag eile ich in der großen Pause zum

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