Küchenfee
hingen, waren verschwunden. Von den Postern an der Wand lächelte Pink unverdrossen in ein Zimmer, dem man die Wut ansah, mit der Svenja ihre Sachen gepackt hatte.
Mit Tränen in den Augen ging Lilli ins Badezimmer der Mädchen. Mit schmerzlicher Deutlichkeit wurde Lilli bewusst, wie sehr die fehlenden Gegenstände sie an Armins Auszug vor einigen Monaten erinnerten.
War das jetzt ihr Schicksal, dass die Menschen sich von ihr abwandten? Erst Armin, dann Mike, jetzt Svenja. Ihren beruflichen Neubeginn hatte sie erfolgreich bewältigt, dafür lag ihr Privatleben in Scherben. War sie zu egoistisch? Sogar Gina schien sich zurückzuziehen. Langsam stieg sie die Treppen hinunter und ging in die Küche. Ihr Espresso war in der Zwischenzeit längst übergekocht, und der Herd war mit eingebranntem Kaffee verkrustet. Die Küche stank beißend nach der verbrannten Flüssigkeit.
Sie schüttete den Rest Espresso in den Ausguss, kühlte die Kanne unter fließendem, kalten Wasser und füllte das Sieb der Bialetti mit frischem Pulver.
Dass Gina sich nicht bei ihr meldete, beunruhigte Lilli. Wie dachte ihre Freundin wirklich über das Angebot aus Köln und die möglichen Konsequenzen für Lillis Schlemmerei? Die Vorstellung, Gina könnte glauben, ihre gemeinsame Zukunftsperspektive sei ihr egal, war Lilli unerträglich. Sie ging kurzentschlossen ins Wohnzimmer und suchte nach dem Telefon. Sie wählte Ginas Nummer, während sie zurück in die Küche ging.
»Wilhelmi, guten Tag.«
»Gina, ich bin’s. Hast du Zeit zu reden?«
»Lilli, nee, tut mir leid. Ich bin eigentlich schon auf dem Weg nach draußen. Aber wenn es nicht zu lange dauert …«
Lilli schluckte ihre Enttäuschung hinunter und sagte betont munter: »Na ja, ich wollte mit dir über diese Köln-Sache sprechen, weißt du? Deine Meinung ist mir sehr wichtig.«
»Hm. Du, ich habe ja gestern schon gesagt, wie ich es sehe. Das kannst nur du allein entscheiden, Lilli. Ich respektiere deine Entscheidung auf jeden Fall, egal, wie sie ausfällt. Nimm da bitte keine Rücksicht auf mich.« Gina klang ganz ruhig. Lilli fühlte Panik aufsteigen. Womöglich war Gina diejenige, der die Zukunft von Lillis Schlemmerei egal war?
»Aber das geht doch uns beide an, Gina. Wir haben zusammen ein Geschäft, da kann ich doch nicht auf einmal so einen Alleingang machen. Das will ich auch gar nicht.«
»Lilli.« Ginas Stimme wurde weich. »Du bekommst da gerade eine einmalige Chance geboten. Da werde ich mich dir nicht in den Weg stellen. Außerdem hat Pierre ja jetzt Zeit und würde sowieso gern bei uns mitmachen. Der könnte dich doch gut ersetzen, wenn du in Köln zu tun hast. Hast du daran schon mal gedacht?«
Lilli sah ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Gina und Pierre planten bereits ohne sie. »Ja, aber ich will doch gar nicht ersetzt werden, Gina.« Aus dem Hintergrund hörte sie eine Männerstimme nach Gina rufen. »Hast du Besuch?«
»Das ist Pierre. Wir wollen zu dem Raum fahren, in dem übermorgen der Kindergeburtstag stattfinden soll. Ich will mir alles noch mal ansehen, wegen der Deko. Du weißt doch, die Herrschaften wünschen für ihr Prinzesschen einen Märchenwald mit allen Schikanen.«
Schlagartig wurde Lilli klar, dass sie diesen Auftrag in der Aufregung der letzten Tage völlig vergessen hatte. »Ich komme mit. Da kann ich direkt planen, wo die Hexenküche aufgebaut werden kann. Holt ihr mich ab?«
»Nicht nötig, Lilli. Das kann alles Pierre erledigen. Du ruh dich schön aus. Und wir beide reden die Tage mal, ja? Tschüss, Lilli.« Gina hatte aufgelegt.
Sekunden später gurgelte die Espressokanne. Als Lilli sich gerade eine Tasse eingegossen hatte, klingelte es an der Haustür. Lilli setzte sich erschöpft an den Küchentisch. Sie wollte niemanden sehen und musste erst einmal die Enttäuschung verarbeiten, die Ginas Verhalten in ihr ausgelöst hatte.
Es klingelte erneut. Dann erschien Armins Gesicht am Küchenfenster. Er legte die Hand über die Stirn, um das Licht abzuschirmen, und spähte durch die Scheiben. Als er sie sah, klopfte er an das Glas. »Lilli? Warum gehst du nicht an die Tür?«
Lilli machte eine abwehrende Geste mit der Hand und rief: »Hau ab! Ich habe keine Lust auf Besuch!«
Armin klopfte wieder an die Fensterscheibe. »Lilli, bitte! Es ist wegen Svenja!«
Widerwillig erhob sie sich und öffnete Armin die Haustür. Er rannte fast an ihr vorbei in die Küche und setzte sich an den Tisch. Als Lilli wieder Platz genommen hatte,
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