Küchenfee
Dekorationen, Kati, lachend und mit Tomatensuppenflecken auf der Schürze, Monsieur Pierre in mittelalterlicher Kluft und mit griesgrämigem Gesicht.
Lilli berührte mit den Fingerspitzen ein Foto, auf dem Mike, flankiert von Ozzy und Zappa, grinsend in die Sonne blinzelte und einen mächtigen, orangefarbenen Kürbis in die Kamera hielt. Dieser Kürbis symbolisierte ihren ersten Auftrag, das Essen in der Kanzlei. Obwohl dieses Foto erst vor einigen Monaten entstanden war, schien die darauf abgebildete Szene aus einer weit entfernten Vergangenheit zu stammen.
Lilli traten Tränen in die Augen.
Noch einmal strich sie über sein Bild. Sie ließ den Blick weiter durch den Raum schweifen. Die Ordner mit den Rezepten, die Hängeregistratur, in der die Aufträge dokumentiert wurden. Ein Ordner mit Dankschreiben.
Auf dem Schreibtisch stapelten sich Lieferscheine, Rechnungen und andere Unterlagen, die dringend sortiert und zum Steuerberater gebracht werden mussten. Seit der Auftrag für das Theaterfest unerwartet in ihre Planung geplatzt war, war sie nicht mehr dazu gekommen, die Büroarbeit zu erledigen. Sie hatte einfach keine Zeit mehr dazu gehabt. Die Messe hatte zusätzlich sämtliche Kapazitäten gebunden, sowohl körperlich als auch geistig. Gott sei Dank hatte Monsieur Pierre tatkräftig und begeistert mitgeholfen, sonst wäre es eng geworden. Dann war die Nachbereitung der Messe angestanden, und jetzt die Sache mit der Kochshow.
Sie fühlte sich, als hätte sie seit Wochen weder geschlafen noch Luft geholt. Sie war unendlich müde. Und das Haus war so leer. Je leerer das Haus wurde, desto kleiner fühlte sie sich.
Plötzlich hörte sie das vertraute Quietschen des Gartentores und spähte aus dem Fenster. Käthe kam schnellen Schrittes auf die Haustür zu.
Und Lilli konnte es selbst kaum glauben: Sie freute sich über den Besuch ihrer Schwiegermutter.
»Elisabeth, du siehst entsetzlich aus«, entfuhr es der erschrockenen Käthe, als Lilli ihr die Tür öffnete.
Lilli versuchte ein Lächeln. »Na, danke. Das nenne ich mal ein Kompliment.«
»Ach, Kind, das habe ich doch nicht so gemeint.«
»Weiß ich doch. Komm rein, Käthe. Möchtest du einen Tee?«
»Gern. Was machst du gerade? Habe ich dich gestört?«
»Nein, hast du nicht«, sagte Lilli, während sie in die Küche gingen. »Ich war im Büro und habe mir die liegen gebliebene Arbeit angesehen. Dahin zieht mich im Moment nichts zurück, um ehrlich zu sein.«
»Wolltest du gerade essen?« Auf dem Küchentisch stand noch immer das Gedeck, das Kati für Lilli vorbereitet hatte. »Oh, und diese wunderbaren Dahlien! Sind die von Frau Wilhelmi?«
»Nein. Obwohl – indirekt schon. Gina hat sie hier in den Garten gepflanzt. Aber Kati hat sie wohl heute Morgen geschnitten und auf den Tisch gestellt.«
»Katharina ist ein gutes Kind. Du kannst wirklich stolz auf sie sein.«
»Ich weiß, Käthe. Bin ich. Ich habe zwei wunderbare Töchter, auch wenn die eine mich gerade überhaupt nicht leiden kann.«
Käthe schwieg und beobachtete Lilli dabei, wie sie Tee kochte, das Teelicht im Stövchen auf dem Tisch entzündete und die Kanne auf den Metallrost stellte, nachdem sie eine Tasse für Käthe gefüllt hatte.
Käthe schnupperte. »Hm, Ingwertee. Danke, Elisabeth. Komm, setz dich zu mir.«
»Sofort.« Lilli kam zu Käthe an den Tisch, nachdem sie noch einige Plätzchen aus einer Keksdose auf einen Teller gepackt hatte.
Käthe kam gleich zur Sache. »Katharina hat mich gestern Abend noch angerufen.«
»Wegen Svenja.«
»Ja.«
»Und? Hat sie dir erzählt, warum Svenja unter Protest zu ihrem Vater gezogen ist?«
»Ja, allerdings.« Sie legte ihre Hand auf Lillis Rechte. »Elisabeth, das alles tut mir schrecklich leid. Das muss furchtbar für dich gewesen sein.«
Bei der Erinnerung an den Streit am Abend zuvor begann Lilli zu weinen. »Ach, Käthe«, schluchzte sie, »was habe ich bloß falsch gemacht? Ich habe Svenja doch nicht so erzogen, dass Geld das Wichtigste ist, oder? Muss ich mir Vorwürfe machen?«
Käthe schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Aber du musst zugeben, dass ihr das Kind verwöhnt habt. Sie hat immer alles bekommen, was sie sich gewünscht hat.«
»Aber es kann doch nicht sein, dass meine Teenager-Tochter mir sagt, dass ich ihr ein Luxusleben schuldig bin. Das ist absurd!« Fahrig wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht.
Käthe lächelte. »Das ist es allerdings. Aber Svenja weiß eben noch nicht, was es bedeutet,
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