Küchenfee
stand schon am Kühlschrank und begutachtete dessen Inhalt.
»Und um den netten Herrn Mike kümmere ich mich morgen«, murmelte Käthe.
Kati tauchte aus dem Kühlschrank auf. »Bitte? Hast du etwas gesagt, Oma?«
»Nein, nein«, sagte Käthe und tippte lächelnd die Nummer des Reisebüros ein. »Habe ich nicht.«
Der Zug ratterte durch eine idyllische Herbstlandschaft. Lilli ließ die Modezeitschrift sinken, in der sie geblättert hatte, und sah aus dem Fenster. Stoppelfelder wechselten sich ab mit kleinen Ortschaften und Birkenwäldern. Schwarzweiß gefleckte Milchkühe standen auf noch immer saftig-grünen Weiden und grasten. Hier und da war ein Traktor zu sehen, der auf einem bereits abgeernteten Acker schnurgerade Furchen zog. In den Gärten der kleinen, typisch norddeutschen Backsteinhäuser links und rechts der Strecke flatterte Wäsche im Wind. Die Sonne schien und ließ die gelben und roten Blätter an den Bäumen farbenprächtig aufflammen. Am strahlend blauen Himmel trieben vereinzelte kleine Wolken Richtung Horizont.
Lilli blickte auf ihre Armbanduhr. Viertel vor elf. Seit kurz nach sieben Uhr saß sie im Zug, und in einer halben Stunde sollte sie in Wilhelmshaven ankommen. Dort blieb ihr Zeit für einen kurzen Imbiss, bevor sie mit einem Taxi zum Außenhafen von Hooksiel fahren musste, um dort um dreizehn Uhr den Katamaran nach Helgoland zu erreichen.
Am Abend zuvor hatten Schwiegermutter Käthe und Tochter Kati sie buchstäblich überrumpelt. Als sie aufgewacht war, hatte sie sich tatsächlich erfrischt gefühlt. Sie hatte gedämpfte Geräusche aus der Küche gehört, Lachen und Topfgeklapper. Wie aufs Stichwort hatte es leise an der Schlafzimmertür geklopft, und Kati hatte auf ihr »Herein« hin den Kopf durch den Türspalt gesteckt.
»Du bist wach, Ma? Wie fühlst du dich?«
»Besser, Schatz. Und ich habe Hunger.« Lilli schnupperte. »Hm, du hast gekocht.«
»Oma und ich haben gekocht. Hast du Appetit auf Frikadellen und warmen Kartoffelsalat?«
»Und wie. Ich bin sofort bei euch.«
Als Lilli in die Küche gekommen war, hatten die beiden schon am gedeckten Tisch gesessen. »Was ist denn hier los? Was grinst ihr beide denn so?«
»Wir haben eine Überraschung für dich!«, rief Kati. »Du musst mir versprechen, dass du dich freust.«
»Ich freue mich über jede Überraschung, wenn es eine gute ist. Raus damit.«
»Sag’s ihr, Oma! Du musst es ihr sagen, schließlich ist es deine Überraschung.«
Und dann hatte Käthe erzählt, was sie organisiert hatte. Da alles bereits beschlossene Sache war, hatte Lilli ohne Gegenwehr zugestimmt. Der Koffer war schnell gepackt.
Und die beiden hatten ja recht: Ein paar Tage frischer Wind um die Nase würden ihr guttun.
Kapitel 35
Der Katamaran preschte seinem Ziel entgegen. Das knallrote Schiff flog geradezu über die graue Nordsee. Wellengang war kaum zu spüren. Lilli blätterte in dem Prospekt mit den technischen Daten. »Höchstgeschwindigkeit circa siebzig Kilometer pro Stunde«, das hörte sich eigentlich nicht besonders schnell an.
Trotzdem fühlte es sich an, als würde sie in einem Rennwagen sitzen.
Am Horizont kam Helgoland in Sicht. Nur briefmarkengroß, war die charakteristische Silhouette der roten, hoch aus dem Meer ragenden Insel mit der vorgelagerten Felssäule, der »Langen Anna«, sofort zu identifizieren.
Lilli lehnte sich zurück und schloss die Augen.
Zur gleichen Zeit saß Käthe an Lillis Küchentisch und blätterte in einem Kochbuch aus Lillis Bibliothek, während sie auf Mike wartete. Sie hatte vormittags erst mit Gina und danach mit Monsieur Pierre besprochen, wie man alles Weitere organisieren würde.
Monsieur Pierre sollte um siebzehn Uhr kommen und mit ihr gemeinsam das Essen für den Kindergeburtstag vorbereiten. Nichts Kompliziertes, sondern kleine, kindgerechte Leckereien.
Vor dem Gartentor hielt ein Lieferwagen. Neugierig ging Käthe ans Fenster. Das war also Mike, der Mann ohne Nachnamen. Es hatte sich noch nie ergeben, dass sie ihm persönlich begegnet war. Kati hatte ihr das Foto an der Pinnwand in Lillis Büro gezeigt. »Damit du ihn gleich erkennst, Oma. Nicht, dass du den Falschen ins Haus lässt!«
Der lachende, blonde Mann auf dem Foto war Käthe sofort sympathisch gewesen. Jetzt war sie gespannt, ihn persönlich kennenzulernen. Sie ging zur Haustür, um ihn dort zu erwarten. Mike kam den Weg durch den kleinen Vorgarten entlang. Er schleppte eine Kiste mit Gemüse und Obst. Obenauf
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