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Küchenfee

Titel: Küchenfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Conrad
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küsste sie ihn zärtlich auf die Stirn. Sie schlüpfte leise aus dem Bett, nahm ihren Morgenmantel vom Haken an der Tür und schlich sich in die Küche. Aus den Zimmern der Mädchen im ersten Stock drang noch kein Laut.
     
     
    Lilli schloss die Küchentür hinter sich und griff nach der Kanne, die sie mit Wasser und Espressopulver befüllte und auf den Herd stellte. Im Radio suchte sie den Klassiksender. Zu den Klängen der Frühlingspartitur aus Vivaldis »Vier Jahreszeiten« tanzte sie zum Regal, stellte sich auf die Zehenspitzen und fuhr mit dem Finger über die Rücken ihrer zahlreichen Kochbücher. Bei dem Buch des spanischen Ausnahmekochs Ferrán Adria stoppte sie und zog den schweren Schuber aus dem Regal.
    Hinter ihr gurgelte die Espressokanne. Lilli legte den Wälzer auf den Tisch und füllte den Kaffee in ihren Lieblingsbecher, eine unförmige, von Svenja im Kindergarten getöpferte Tasse in schreiendem Pink.
    Lilli setzte sich an den Küchentisch. Immer noch war das Haus still. Entspannt summend, blätterte sie durch das dicke Buch und verweilte bei dem einen oder anderen Rezept, um es genauer zu studieren: Mandelsorbet in Knoblauchöl, Apfelkaviar, Gurkenschaum, Spaghetti aus Muschelessenz, Algenkrokant … spektakulär und mutig, aber samt und sonders völlig untauglich für die normale Restaurantküche.
    Lilli nahm einen Schluck aus der Tasse. Ihre Gedanken wanderten zu Armin und der letzten Nacht. Sie lächelte versonnen. Was ihre Töchter wohl denken würden, wenn sie wüssten, dass ihre uralten Eltern noch derart leidenschaftlichen Sex miteinander hatten! Sie stand auf, ging zum Küchenfenster und wärmte sich ihre Hände an der Tasse, während sie in den Vorgarten sah. Unter dem Rhododendron lagen noch zwei Äpfel, die Kati vorgestern übersehen hatte. Lilli lächelte wieder, als sie an ihre beiden so unterschiedlichen Töchter dachte. Svenja startete gerade mit Volldampf in die Pubertät und balancierte auf dem verwirrend schmalen Grat zwischen dem Mädchen, das noch mit Puppen spielte, und der Frau, die ihre eigenen Entscheidungen treffen wollte. Sie war kapriziös, launisch und trotz allem liebenswert. Svenja hätte Lillis im Vorgarten verteilten Einkauf nur unter Zwang aufgehoben. Kati, vier Jahre älter, besuchte bereits die Oberstufe des Gymnasiums und war immer umsichtig und hilfsbereit. Im Gegensatz zu ihrer Schwester hatte sie schon als kleines Kind freiwillig ihrer Mutter geholfen, egal ob im Haushalt, im Garten oder – besonders gern – in der Küche.
    Lilli schreckte auf, als sich die Küchentür öffnete, ein sehr verschlafener Armin barfuß in die Küche geschlurft kam und sich ein wenig desorientiert umsah. »Wieso bist du denn schon auf?«, murmelte er undeutlich, während er ziellos durch die Küche irrte.
    Lilli lächelte. Wie ein fünfjähriger Junge sah Armin aus mit seiner schief geknöpften Pyjamajacke und den vom Schlaf zerzausten Haaren. »Leg dich wieder hin, Armin. Du bist ja eh noch gar nicht richtig wach.«
    Armin blickte sie verwirrt an. Er hob hilflos die Hände und setzte mehrmals zum Sprechen an, bevor er mühsam herausbrachte: »Machst’n da?«
    »Nichts. Ich genieße die Ruhe und freue mich des Lebens. Geh wieder ins Bett und schlaf noch ein bisschen. Es ist noch nicht mal acht Uhr.«
    Wie ein Roboter, der einen Befehl erhalten hatte, drehte Armin sich ruckartig um und marschierte wieder ins Schlafzimmer.
     
     
    Lilli wandte sich erneut ihrer Lektüre zu. Hin und wieder machte sie sich Notizen auf einem Block, den sie aus der Schublade des Tisches gezogen hatte. Trotz ihrer langjährigen Erfahrung als Köchin liebte sie Kochbücher. Sie konnte stundenlang in ihnen herumblättern, um Anregungen zu finden.
    Algenkrokant … Irgendwann musste sie mal in dieses Restaurant von Ferrán Adria in Barcelona gehen. Dreißig Gänge, und einer verrückter als der andere. Sie fand es immer wieder schade, dass Monsieur Pierre nicht ein bisschen experimentierfreudiger war. Ihre Theorie war ja, dass alle Lehrlinge von Bocuse unter lebenslanger Hypnose standen, damit sie niemals auch nur einen Millimeter vom eingeschlagenen Pfad abwichen. Wenn sie ihrem Kollegen mit den Rezepten dieses irren spanischen Alchimisten käme …
    Lilli erinnerte sich an ein Gespräch, das sie vor einigen Tagen mit Monsieur Pierre gehabt hatte. Alles hatte mit ihrer – wie sie dachte, harmlosen – Frage angefangen, was er von Jamie Oliver und seinem Engagement für eine verbesserte Schulspeisung

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