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Küchenfee

Titel: Küchenfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Conrad
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in England hielt.
    »Was? Jamie Oliver?«, hatte er geschrien. »Dieser lispelnde, ungewaschene Prolet? Eine Schande für die Zunft ist der! Wenn ich den schon sehe! Stellt sich ins Fernsehen, macht Fish and Chips mit ein bisschen Tralala, und tut dann so, als wäre das große Kunst. Das ist Pommesbudenniveau!« Erbost hatte er auf die Kräuter auf seinem Schneidebrett eingehackt.
    »Ja, aber sein Engagement ist doch wunderbar. Und dass er arbeitslose Jugendliche von der Straße geholt hat, um mit ihnen ein Restaurant zu betreiben – also, ich finde das bewundernswert«, hatte Lilli gewagt, zu widersprechen.
    Monsieur Pierre hatte sein Messer auf den Tisch geknallt und die Hände in die Hüften gestemmt. »Ach ja? Dann arbeiten Sie doch für Jamie Oliver, wenn Sie den so toll finden! Dem geht’s doch nur um seine Popularität! Ein echter Koch arbeitet in seiner Küche und macht seinen Job. Der drängt sich nicht in die Öffentlichkeit. Überhaupt … wenn ich diese ganzen Kochshows im Fernsehen sehe! Unrasierte, flegelhafte Bengel in zerknitterten T-Shirts – eine Schande!«
    Monsieur Pierre war immer lauter geworden, während Lilli vor ihrem geistigen Auge jedes einzelne Ausrufezeichen in seiner Tirade wie einen Pfeil auf sich zufliegen sah. Fast war sie versucht gewesen, hinter ihrem Arbeitstisch in Deckung zu gehen. Aber Monsieur Pierre war noch lange nicht fertig.
    »Gehobene Küche gehört nicht ins Fernsehen! Haute Cuisine muss ein Geheimnis bleiben!«, hatte sich der aufgebrachte Koch weiter echauffiert. »Jeder schnoddrige Möchtegernkoch, der einen Kochlöffel halten kann, meint doch, dass er was zu sagen hätte. Da könnte ich …«
    Der Rest seines leidenschaftlichen Monologs war im lauten Klappern der Töpfe untergegangen, zwischen denen er wütend nach seinem kleinen, verbeulten Lieblingssaucentopf suchte.
    Insgeheim vermutete Lilli, dass ihr Kollege auf all diese Fernsehköche mit ihren eigenen Sendungen, ihren Fans und ihrer Popularität neidisch war. Wahrscheinlich saß er regelmäßig vor dem Fernseher, wenn eines seiner Hassobjekte dort aus dem Nähkästchen plauderte und Laien in die hohe Kunst der gehobenen Küche einweihte.
    Sie hatte sich schnell wieder auf ihr Steinpilzrisotto konzentriert und sich vorgenommen, dieses Thema nicht noch einmal anzusprechen.
     
     
    Im Obergeschoss klappten Türen. Es war mittlerweile kurz nach zehn Uhr. Lilli hörte Musik und die laute Stimme von Svenja, die gegen eine Tür hämmerte.
    »Doofe Kuh! Immer gehst du zuerst ins Badezimmer! Du glaubst wohl, nur weil du die Ältere bist, muss alles nach dir gehen.«
    Lilli seufzte und stellte das kostbare Kochbuch zurück ins Regal. Ihre Ruhestunde war vorbei.
    Sie ging ins Schlafzimmer und fand Armins Bett leer vor. Im angrenzenden Bad lief das Wasser.
    Kurz war sie versucht, Armin unter der Dusche zu über raschen und ihrer leidenschaftlichen Nacht noch eine spontane Fortsetzung folgen zu lassen, als sie wieder Türenknallen und Stimmen aus dem ersten Stock hörte. Zu spät. Sie zog sich rasch bequeme Kleidung an und ging zurück in die Küche, um mit den Vorbereitungen für das Frühstück zu beginnen.
    Lilli hackte gerade frische Kräuter für das Rührei, als Kati mit feuchten Haaren hereinkam. Offenbar hatte sie den Kampf ums Bad gewonnen.
    Ihre Tochter drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Morgen, Ma! Schon lange auf?«
    »Morgen. Seit halb acht. Gut geschlafen? Kommt Svenja auch gleich runter?«
    »Ja zu beiden Fragen«, antwortete Kati, während sie begann, den Tisch zu decken. Sie holte vier Teller aus dem Schrank und hielt dann inne. »Kommt Oma auch?«
    »Ich schätze, ja. Letzte Woche war sie nicht da, also haben wir heute beste Chancen, denkst du nicht?«
    Käthes sonntägliche Besuche gehörten ganz sicher nicht zu ihren Lieblingsprogrammpunkten am Wochenende, aber wegen Armin und der Kinder, die ihre Großmutter innig liebten, hielt sie sich mit ihrer Meinung über ihre Schwiegermutter zurück.
    Kati nahm einen fünften Teller und entsprechendes Besteck aus dem Schrank. Dann setzte sie einen Kessel auf den Herd, um für den von ihrer Großmutter bevorzugten Ingwertee Wasser zu kochen.
     
     
    Schritte kamen die Treppe heruntergepoltert, und Svenja marschierte in die Küche. Ihre Augen waren mit Lidschatten in allen Regenbogenfarben umrahmt, und in ihren ungeschickt getuschten Wimpern hingen dicke schwarze Klumpen. Durch großzügig aufgetragenes Rouge glühten ihre Wangen, als hätte sie gerade

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