Küchenfee
einige Ohrfeigen bekommen. Offensichtlich hatte sie die Schminktipps aus einem ihrer Teenie-Magazine gründlich missverstanden.
Ehe Lilli etwas sagen konnte, prustete Kati schon los: »Was soll das denn sein? Weißt du eigentlich, wie bekloppt du aussiehst?«
Svenja schoss sofort zurück. »Was weißt du denn, du … du … du … blöde Langweilerin! Du hast doch gar keine Ahnung. Du kannst doch gar nicht mitreden.«
Bevor der Austausch gegenseitiger Beleidigungen fortgesetzt werden konnte, mischte sich Lilli ein.
»Wirklich, Svenja, das ist ein bisschen zu extrem für den Frühstückstisch. Außerdem kommt Oma wahrscheinlich gleich, und die kriegt einen Herzinfarkt, wenn sie dich so sieht. Geh bitte hoch und wasch dir das Gesicht, ja?«
Svenja schossen die Tränen in die Augen. »Ihr seid so gemein. Das ist nicht fair. Immer hackt ihr auf mir rum. Nur, weil ihr euch nicht schminkt, muss ich genauso langweilig rumlaufen wie ihr.«
Bei dem Versuch, sich die Tränen abzuwischen, verschmierte sie die Wimperntusche mit dem Handrücken quer über ihr Gesicht. Lilli sah einen frühen Alice Cooper mit blonden Locken und Glitzerhaarreif vor sich stehen, der wütend mit den Füßen aufstampfte und dann aus der Küche floh, um schließlich türenknallend im Bad zu verschwinden.
»Was ist denn das für ein Geschrei am Sonntagmorgen?« Armin erschien in der Küchentür. Er gab Lilli und Kati einen Kuss auf die Wange und fragte: »Was hat unsere kleine Diva denn?«
»Stylingprobleme«, erwiderte Kati trocken, während sie ihrem Vater einen Kaffee eingoss. »Setz dich schon mal hin. Rührei?«
»Aber jederzeit«, antwortete Armin. »Ah, und da ist ja auch meine Svenja. Guten Morgen!«
Er griff nach seiner Tochter, die mit mürrischem, aber sauberem Gesicht gerade hereingekommen war.
»Lass das, Papa«, maulte Svenja, befreite sich aus der Umarmung ihres Vaters und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Kann ich Müsli?«
»Natürlich kannst du Müsli haben, Svenja. Mit Obst, nehme ich an?«, fragte Lilli.
Sie schob Svenja eine Schüssel mit Früchten hin.
»Bitte sehr, die Dame. Erdbeeren, Himbeeren, Blaubeeren – jede Menge Lieblingsobst. Milch oder Saft?«
»Milch, bitte«, sagte Svenja, während sie Beeren in ihre Müslischüssel schaufelte.
»Geht doch«, murmelte Kati, was Svenja zum Glück überhörte, da es in diesem Moment an der Haustür klingelte. Armin, der die Auseinandersetzung seiner Töchter stumm verfolgt hatte, fuhr leicht zusammen.
Lilli wappnete sich innerlich und stieß Armin an. »Dein Einsatz.« Armin stand auf und verließ die Küche, um seiner Mutter die Haustür zu öffnen.
Sekunden später kam Käthe Berger mit ihrem einzigen Sohn im Schlepptau durch die Küchentür gerauscht.
Wie immer war sie dezent geschminkt und teuer gekleidet: Kaschmir-Twinset in Altrosa, dunkelbrauner Leinenrock mit Kellerfalte, doppelreihige Perlenkette, natürlich echt. Ihr fast weißes Haar trug sie in einem akkurat geschnittenen, kinnlangen Pagenkopf. Käthe war eine Dame mit einwandfreien Manieren, gewählter Sprache und tadelloser Haltung. Sie setzte sich an den Tisch und blickte in die Runde. »Svenja, Katharina, guten Morgen, ihr beiden.«
Dann nickte sie Lilli knapp zu. »Elisabeth.«
Käthe nannte sie grundsätzlich bei ihren Taufnamen. Sie sah sich streng um. »Wenn ich um eine Stoffserviette bitten dürfte?« Kati sprang sofort auf.
Lilli lächelte Käthe freundlich an. »Guten Morgen, Käthe. Du siehst schick aus. Tee?«
Käthe nickte. Kati, die ihrer Großmutter die gewünschte Serviette geholt hatte, kümmerte sich um den Ingwertee.
Armin hielt seiner Mutter den Brotkorb hin. »Kann ich dir etwas anbieten, Mutter? Möchtest du Rührei?«
Käthe schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich habe selbstverständlich schon vor Stunden gefrühstückt und bereits die Kirche besucht.« Sie wandte sich ihren Enkelinnen zu. Ihr Gesicht wurde weich. »Und, Mädchen, was macht die Schule?«
Und täglich grüßt das Murmeltier, dachte Lilli, während Kati und Svenja lebhaft Bericht erstatteten. Das ist wie eine Zeitschleife: Erst wird das späte Frühstück missbilligt, dann wird der Kirchenbesuch aufs Tapet gebracht, mit dem stillen Vorwurf, dass wir auch ruhig mal den Gottesdienst besuchen könnten, und zu guter Letzt wird der Schulrapport abgefragt. Aber die Mädchen lieben sie, Käthe ist für die beiden eine wunderbare Oma. Hauptsache, sie lässt mich in Ruhe … mir ist heute Morgen
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