Küchenfee
Wohlbefinden zu steigern.
Die Präsentationsmappe, die auf ihren Knien gelegen hatte, fiel zu Boden. Lilli spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde. Die Mitarbeiterin der Bank, die auf sie wartete, verzog keine Miene, sondern kam mit schnellen Schritten heran, bückte sich, hob die Unterlagen auf und reichte sie Lilli mit einem freundlichen Lächeln.
»Nichts passiert, Frau Berger. Kommen Sie bitte.«
»Danke«, flüsterte Lilli, umklammerte die Mappe mit ihrem Konzept und folgte ihr durch einen Gang bis zu einer Bürotür, die sie nach kurzem Klopfen öffnete. »Herr Orthmann? Frau Berger wäre jetzt da.«
»Soll reinkommen!«, rief eine Männerstimme.
Die junge Frau stieß die Tür ganz auf und bedeutete Lilli mit einer Handbewegung, einzutreten.
Lilli straffte ihre Schultern, setzte ein strahlendes Lächeln auf und ging auf den jungen Mann zu, der hinter seinem Schreibtisch hervorkam und ihr zur Begrüßung die Hand reichte.
»Frau Berger, ich grüße Sie. Bitte, setzen Sie sich doch. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Kaffee, Tee, Mineralwasser?«
Lilli erwiderte den festen Händedruck und ließ sich in den Ledersessel vor dem Schreibtisch sinken.
»Ich … ja … guten Tag … Mineralwasser, bitte.«
Erst jetzt wurde Lilli das Ausmaß ihrer Nervosität bewusst. Was, wenn die Bank in Person von Herrn Orthmann ablehnte? Sicher, sie vertraute ihrem Konzept, aber die Entscheidung würde dieser junge Mann treffen. Sein Gesicht kam ihr vage bekannt vor, aber es wollte ihr einfach nicht einfallen, wo sie ihn schon gesehen hatte.
Herr Orthmann wandte sich der jungen Frau zu, die noch immer in der offenen Bürotür stand und auf Anweisungen wartete.
»Miriam, bitte ein Mineralwasser für Frau Berger. Für mich noch einen Kaffee, kein Zucker, zweimal Milch. Schnell, wenn es geht.«
Die junge Frau verschwand. Orthmann ging hinter seinen Schreibtisch und ließ sich in seinen großen, gepolsterten Drehstuhl fallen. Er stützte seine Ellenbogen auf die Schreibtischplatte, verschränkte die Hände und sagte: »Nun, Frau Berger, was können wir für Sie tun? Bei Ihrem Anruf sagten Sie, es ginge um einen Kredit für eine Geschäftsgründung?«
Lilli nickte und legte die Präsentationsmappe auf den Schreibtisch. »So ist es. Ich möchte mich selbstständig machen, und ich brauche einen kleinen Kredit für die notwendigen Anschaffungen.«
»Soso, aha. Um was für ein Geschäft handelt es sich denn?« Er nahm die Mappe auf und las die Aufschrift laut vor. » Lillis Schlemmerei. Aha.« Er sah Lilli an und lächelte. »Na, das hört sich ja schon mal sehr appetitlich an. Sie gestatten, dass ich mir kurz ein Bild mache?«
Bevor Lilli etwas erwidern konnte, wandte er seine Aufmerksamkeit wieder den Unterlagen zu. »Ah, sehr gut, Ihr Lebenslauf. Köchin im Camelot – ach, die Frau Berger sind Sie! Ich bin Stammgast bei Ihnen, wissen Sie das? Mit wichtigen Kunden gehe ich jedes Mal bei Ihnen essen, oder auch mit Kollegen. Immer hervorragend.«
Er vertiefte sich wieder in die Mappe.
Genau, das war es, daher kannte sie sein Gesicht. Regelmäßiger Gast im Camelot , laut und großkotzig. Und fast immer in Begleitung von anderen lauten, großkotzigen jungen Männern in teuren Anzügen. Und jedes verdammte Mal mit Sonderwünschen an die Küche. Der Service im Camelot hasste ihn und seine Kollegen, von Monsieur Pierre und ihr selbst ganz zu schweigen.
Die Bürotür öffnete sich, und die junge Assistentin kam mit den georderten Getränken auf einem Tablett herein.
Ohne von der Mappe hochzusehen, sagte Orthmann: »Wieso hat das denn so lange gedauert, Miriam? Haben Sie die Kaffeebohnen aus Costa Rica holen müssen?«
Jetzt war es Lilli, die der errötenden jungen Frau aufmunternd zulächelte und sich mit einem Nicken für das Mineralwasser bedankte, bevor diese das Büro eilig wieder verließ.
Während Orthmann noch immer in ihr Konzept vertieft war, musterte Lilli ihr Gegenüber. Er war ungefähr Ende zwanzig, schlank und für einen Mann ziemlich klein, höchstens so groß wie sie selbst. Das hatte sie schon bei ihrer Begrüßung bemerkt. Seine kurzen hellbraunen Haare hatten blonde Strähnchen und waren über der Stirn zu dieser momentan so angesagten Frisur gegelt, die wie ein kleiner Hahnenkamm aussah. Sein dunkelblauer Anzug saß tadellos, er trug keinerlei Schmuck, außer am Handgelenk eine altmodisch wirkende Uhr mit schwarzem Lederarmband.
Langsam wurde Lilli ungeduldig.
Wie aufs Stichwort blickte
Weitere Kostenlose Bücher