Küchenfee
Monsieur Pierre sich von den Planungstreffen her gut auskannte, erreichten sie die Bühne ohne weitere Verzögerung. Monsieur Pierre stürzte sofort auf Kati zu, die hinter dem riesigen Büffet versuchte, den zweiten Ansturm des Abends zu koordinieren. Bei seinem Anblick entspannte sich ihr Gesicht, und sie fiel ihm um den Hals. »Monsieur Pierre, ich bin so froh, Sie zu sehen!«
Der Koch räusperte sich verlegen. »Na na, Mademoiselle Kati, ich bin ja jetzt da. Wo sind …?«
»Gina und Ma? Hinter der Bühne. Ma geht es wieder besser, aber sie fühlt sich schwach. Irgendetwas muss passiert sein.«
Monsieur Pierre dreht sich zu Tobi um, der nur zögernd näher gekommen war und Kati nervöse Blicke zuwarf. Der Koch schnippte mit den Fingern. »Los, Tobi, geh hinter die Bühne zu deiner Mutter und Madame Lilli, und sag Bescheid, dass ich da bin.«
Tobi, dankbar, eine Aufgabe zu haben, verschwand in die Richtung, in die Monsieur Pierres Finger wies.
Der Koch rieb sich die Hände. »Also, Mademoiselle Kati, was muss ich wissen?«
Kati hatte ihn gerade in alles eingewiesen, als Gina auftauchte. Genau wie Kati umarmte sie Monsieur Pierre, der erst erstarrte und dann seinerseits Gina fester umschlang, als es sich für eine freundschaftliche Umarmung gehörte. Gina machte sich los und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Pierre, du glaubst nicht, wie froh ich bin, dich zu sehen.« Sie sah sich im Raum um. »Ist die verdammte Vanessa noch hier, Kati?«
»Vorhin habe ich sie noch gesehen. Sie hat sich hinten am Brunnen mit diesem Schauspieler unterhalten. Wieso? Warum fragst du?«
»Nichts, nichts. Na, die wird staunen, wenn sie dich hier sieht«, sagte Gina zu Monsieur Pierre. »Hoffentlich verpasse ich das nicht.«
»Was war denn hier überhaupt los?«, fragte er. »Was ist mit Lilli?«
Gina vergewisserte sich, dass Kati am anderen Ende des Büffets zu tun hatte und sagte dann leise: »Deine saubere Chefin ist auf sie losgegangen und hat behauptet, Lilli hätte ihr diesen Auftrag gestohlen. Und dass Lilli allein nicht gut genug sei, so etwas hier zu schaffen. Und noch einiges mehr, für das sie übers Knie gelegt gehört. Ich bin gerade extrem wütend. Vanessa ist eine gemeine, böse Person, die unglaublich frustriert sein muss.«
»So? Muss sie das? Na, wenn eine ungebildete kleine Italienerin das sagt.« Vanessa hatte sich unbemerkt von der Seite genähert. Sie stand kerzengrade vor dem Büffet und starrte Monsieur Pierre kalt an. »Darf ich erfahren, warum Sie nicht an Ihrem Arbeitsplatz in meinem Restaurant sind, wo Sie hingehören, Herr Meisenheimer?«
Monsieur Pierre zuckte mit keiner Wimper. »Weil meine Freunde mich hier brauchen, Madame Kamlot«, sagte er.
»Wenn Sie nicht auf der Stelle ins Camelot zurückkehren, Herr Meisenheimer«, zischte Vanessa, »dann haben Sie ab morgen keinen Arbeitsplatz mehr. Haben wir uns verstanden?«
»Sie wollen mich entlassen«, stellte Monsieur Pierre fest. Der Koch klang entspannt und völlig unbeeindruckt.
Monsieur Pierres Selbstsicherheit brachte Vanessa für einen Moment aus dem Konzept und ließ ihre Gesichtszüge kurz in völliger Verblüffung entgleisen. Doch sie fasste sich rasch wieder. »Allerdings, das will ich. Das ist Arbeitsverweigerung, Herr Meisenheimer. Und nicht nur das, Sie stellen Ihre Arbeitskraft der Konkurrenz zur Verfügung. Das allein ist Grund genug. Sie haben die Wahl. Fahren Sie sofort wieder ins Camelot , dann bin ich noch einmal bereit, Ihre Unverfrorenheit zu vergessen.«
Monsieur Pierre deutete eine leichte Verbeugung an und sagte höflich: »Bemühen Sie sich nicht, Madame Kamlot. Ich kündige hiermit. Und ich nehme ab sofort meinen restlichen Urlaub.«
Vanessa Kamlot wurde kreideweiß. Sie schien noch etwas sagen zu wollen und öffnete den Mund, drehte sich dann aber steif um und verließ den Raum.
Kati und Gina hatten die Szene stumm verfolgt. Gina löste sich als Erste aus ihrer Erstarrung und flüsterte: »Pierre, du kannst doch nicht …«
»Gina, sei nicht naiv«, sagte Monsieur Pierre. »Diese Entscheidung war schon gefallen, als ich vorhin ins Theater gekommen bin. Madame Kamlot hat recht: Ich habe meinen Arbeitsplatz verlassen, um euch hier zu helfen, das ist ein Entlassungsgrund. Du kannst nicht geglaubt haben, dass sie sich das gefallen lässt. Das würde kein Arbeitgeber.«
»Ja aber …«
»Nichts ›ja aber‹. Es ist gut so, glaub mir.«
»Und wovon willst du leben?«
»Mach dir darüber keine Gedanken. Ich
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