Küchenfee
tatsächlich im alten Rom, zwischen überlebensgroßen, scheinbar marmornen Statuen und hohen Säulen. Durch die aufgemalten Fenster schien der Blick in eine idyllische, mediterrane Landschaft zu gehen. Es gab Diwane mit üppigen Polstern, auf denen die Damen malerisch lagerten und sich von Sklaven Getränke einschenken und Kühlung zufächeln ließen. Andere Gäste saßen auf einfachen Bänken und Hockern an langen, hölzernen Tischen. Die eigens engagierte Musikgruppe spielte auf historischen Instrumenten, die mitgereisten Tänzerinnen erfreuten besonders die männlichen Gäste.
Lilli sah auf ihre Armbanduhr. Sie war auf den Ansturm der Gäste vorbereitet, die Speisen waren fertig. In einer halben Stunde würde zur Unterhaltung eine antike römische Opferzeremonie stattfinden, danach sollte gegessen werden.
Gina kam in den Stand. Sie hatte sich in der Theatermaske schminken und einkleiden lassen und trug ein maigrünes, fließendes Gewand mit hoher Taille, das mit verschwenderischer Goldstickerei verziert war. Ihr schwarzes Haar war hochgesteckt und mit goldenen Bändern durchflochten. Sie sah wunderschön aus.
»Lilli, kann das Büffet eröffnet werden? Ich glaube, die Leute könnten schon einen Snack vertragen. Wir verschieben die Opferzeremonie auf später, was denkst du?«
»Von mir aus können wir den Startschuss geben, es ist alles fertig.« Lilli salutierte. »Der Service steht bereit.«
Gina runzelte die Stirn. »Alles in Ordnung mit dir, carissima ? Du bist blass.«
»Dunkelrot ist nicht meine Farbe«, antwortete Lilli lachend. »Ich musste die letzte Tunika nehmen, alle anderen waren schon weg.«
Gina schien nicht überzeugt. »Na, ich weiß nicht. Sag Bescheid, wenn du nicht mehr kannst, ja? Du wirkst sehr erschöpft.«
»Das ist ja wohl kein Wunder, oder? Heute Abend muss alles perfekt laufen.«
»Natürlich tut es das, carissima . Alle amüsieren sich prächtig.« Sie sah sich im Raum um. »Ah, die lustigen Musikanten machen Pause. Ich lege eine CD ein, und dann eröffnen wir das Büffet.« Sie verschwand wieder in der Menge. Kurze Zeit später ertönte ein Gong, und sofort strömten die Gäste auf Lilli zu. Dank ihrer Aushilfen aus der Theaterkantine und Kati bewältigte sie den ersten Ansturm problemlos. Horst Scheffler, der Verwaltungschef des Theaters, kam strahlend auf sie zu. Er sah aus wie ein römischer Senator, allerdings mit höchst anachronistisch wirkender, modischer Brille mit schwarzem, eckigem Gestell. Lilli unterdrückte ein Grinsen. »Herr Scheffler! Alles zu Ihrer Zufriedenheit?«
Scheffler legte seine rechte Hand auf die Brust und sagte: »Frau Berger, ich finde keine Worte. Ihre Inszenierung übertrifft meine kühnsten Erwartungen. Jeder schwärmt von Ihrem wunderbaren Essen. Ich kann Ihnen nicht genug danken. Alle amüsieren sich großartig.«
Lilli verbeugte sich lächelnd. »Vielen Dank. Ich gebe das gern an mein Team weiter. Denn, Herr Scheffler, Sie wissen ja, dass meine Geschäftspartnerin, Frau Wilhelmi, für die Dekoration verantwortlich ist. Und wir dürfen Monsieur Pierres Hilfe nicht vergessen.«
»Aber meine liebe Frau Berger«, rief Scheffler. »Warum so bescheiden? Und, ganz unter uns«, Scheffler neigte sich Lilli zu und senkte die Stimme, »es sollte mich sehr wundern, wenn es nicht bald Aufträge hagelt. Ich bin schon von etlichen Kollegen nach Ihrer Telefonnummer gefragt worden.« Scheffler zwinkerte ihr fröhlich zu.
Lilli verbeugte sich noch einmal. »Vielen Dank. Und glauben Sie mir, ich bin mindestens ebenso froh wie Sie, dass alles so wunderbar läuft.«
Scheffler sah sich um und winkte einigen Leuten zu. »Um ehrlich zu sein, Frau Berger, zuerst war ich ja nicht sicher, als Peter Sie empfohlen hat. Ich kannte Ihre Arbeit ja nicht. Beim Camelot war ich mir sicher, gute Qualität zu bekommen, und als Frau Kamlot mir mitteilte, dass sie absagen muss, weil Peter diesen unseligen Bandscheibenvorfall hat … Aaah, wie aufs Stichwort!«
Lilli folgte seinem Blick. Ihr stockte der Atem.
Vanessa trug ein eng anliegendes, schwarzes Kaschmirkleid und schwindelerregend hohe Plateau-Pumps. Ihr pechschwarzer Bubikopf glänzte wie lackiert, und sowohl ihr Lippenstift als auch ihr Nagellack hatten exakt die gleiche Farbe wie die auffallenden roten Sohlen ihrer Pumps. Sie trug keinerlei Schmuck. Zwischen all den Togen und wallenden, farbigen Gewändern wirkte sie wie eine Außerirdische.
Sie stand mitten im Raum und hielt Hof. Scheffler war so schnell zu ihr
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