Kühle Rache - heißes Herz
gibt es außer Macon noch weitaus Schlimmeres. Im Gegensatz zu Los Angeles haben wir hier eine ganze Reihe verschiedener Giftschlangen. Was Kultur angeht, tut sich in Pine Hill allerdings nichts. Die Filme, die hier im Kino laufen, sind alle schon ein Jahr alt, und Konzerte kennen wir hier nur aus dem Fernsehen.”
“Da hat sie recht.” Diego wischte sich die Lachtränen von den Wangen. “Die Einzigen, die hier Musik machen, sind Frösche und Grillen.”
“Es ist doch niemand schuld daran, dass ihr das alles nicht gefällt”, regte Ansel sich auf. “Sie hätte die Stadt doch verlassen können. Aber sie und ihre Mutter sind hier geblieben. Dabei hat Hester ein Schuljahr übersprungen, und sie hatte auch ein Stipendium für irgendein College im Osten.”
“Sie ist bloß geblieben, um weiter gegen Macon kämpfen zu können”, vermutete Cam.
“Genau deswegen bin ich ja auch nach Houston gezogen.” Macon nickte. Keiner der Anwesenden wusste, wie ernst es ihm damals mit Hester gewesen war.
“Tja, Amigo.” Diego sah ihn mitfühlend an. “Jetzt bist du zurück, und zwischen dir und dieser Ranch steht nur eines – Hester.”
Ansel grinste. “Ein Hindernis, das man nicht unterschätzen sollte.”
Macon reichten die ständigen Scherze auf seine Kosten. Er stand auf und ging zur Tür. Er lehnte sich an den Rahmen und blickte auf die rauen Felsen und sanften grünen Hügel der Ranch. Im Schatten der Bäume auf der Koppel grasten die Pferde. Wieso kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen, Hester, fragte er sich.
Als er sich entschloss, im
Texas Men
zu inserieren, war er nur seiner Vernunft gefolgt, doch als niemand darauf antwortete, fühlte er sich so einsam, dass er sich eine Tatsache eingestehen musste: Er sehnte sich nach einer Frau. Lange Jahre hatte er versucht, über Hester hinwegzukommen. Er hatte doch wirklich lange genug gewartet. Verdiente er es nicht allmählich, nachts neben einer Frau zu schlafen, die sich nach seinen Berührungen sehnte? Hester hatte sechzehn Jahre lang einen Mann an ihrer Seite gehabt und es genießen können, von ihm geliebt zu werden und gemeinsam mit ihm einen Sohn großzuziehen.
Sie war jetzt dreiunddreißig und ähnelte sicher in keiner Weise dem Mädchen, das er damals zurückgelassen hatte. Doch sosehr er es sich auch gewünscht hatte, waren die Gefühle für Hester trotz der großen Distanz in all der Zeit nie richtig abgeklungen. Zu Weihnachten hatte er sie manchmal zufällig mit Bruce und ihrem Sohn Cordy getroffen, und jedes Mal verkrampfte sich dann alles in Macon, und er glaubte, vor Schmerz zu sterben. Dann hatte er die Frau, mit der er gerade zufällig ausging, enger an sich gezogen, als es ihm eigentlich lieb war, damit Hester den Eindruck bekam, er habe mit dieser Frau eine ernsthafte Beziehung. Und anschließend war er immer hastig wieder nach Houston zurückgeflogen. Er hatte versucht, andere Beziehungen einzugehen, aber es hatte nie richtig geklappt. Macon hatte Pine Hills vermisst, doch der Gedanke, im selben Ort wie Hester zu wohnen, war einfach zu viel für ihn.
Jetzt war Bruce tot, und Macon würde auf Dauer hier bleiben.
Im Postamt hatte sie heute neben das Schild, mit dem eine Aushilfskraft gesucht wurde, eine Pappuhr gehängt, die anzeigte, dass sie fünf Minuten weg sei. Deshalb hatte er, nachdem er sein wie so oft leeres Postfach überprüft hatte, auf Hesters Schreibtisch gesehen. Fassungslos hatte er Hesters Antwortschreiben an seine möglichen Bräute entdeckt. Um in aller Ruhe herauszufinden, in welchem Umfang sie hinter seinem Rücken gegen ihn arbeitete, hatte er sich die Briefe geschnappt und war gegangen.
Was war nur in sie gefahren? Sie hatte kein Recht, sich zwischen ihn und diese Frauen zu drängen. Sie hatte geheiratet, und obwohl er ihren Sohn Cordy, der seit Bruce' Tod im Sommer manchmal auf seiner Ranch jobbte, sehr mochte, konnte Macon die Tatsache nicht verkraften, dass Hester diesen Sohn von einem anderen Mann bekommen hatte. Er wusste, dass er, Macon, sie sexuell glücklich gemacht hatte, doch Bruce musste ihr etwas anderes geboten haben. Unwillkürlich fragte er sich, wieso sie es nicht zugelassen hatte, dass er, Macon, ihr half, sich aus dem Klammergriff ihrer Mutter zu befreien.
Er presste die Lippen zusammen. Er musste sie wegen der Briefe zur Rede stellen, aber im Postamt wollte er das nicht tun, damit nicht gleich im ganzen Ort darüber getratscht wurde. Andererseits war er nicht sicher, ob er es ertragen konnte,
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