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Kuehler Grund

Titel: Kuehler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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leuchtete. In dem großen, goldgerahmten Spiegel, der über dem Kamin hing, spiegelte sich ein düsterer Jagdstich mit rot berockten Reitern, die im Galopp ihre unsichtbare Beute in ein schattiges Wäldchen verfolgten. In den Geruch nach Möbelpolitur mischte sich der Mief alter Kleider, verstaut in Schubladen, die mit uralten Zeitungen ausgelegt waren.
    In zwei Sesseln, die einander gegenüber standen, saßen zwei alte Leute, eine Frau, die ein geblümtes Kleid und eine blaue Strickjacke trug, und ein Mann in Cordhosen und einem Wollpullover. Sie hielten sich kerzengerade und hatten die Füße möglichst nah an die Sessel herangezogen, als ob sie einander nicht zu nahe kommen wollten.
    Vor dem leeren Kamin stand ein elektrischer Heizlüfter. Trotz der seit Tagen andauernden Hitze, hatte Cooper den Eindruck, dass er erst kürzlich noch benutzt worden war. Er selbst empfand die Kühle in dem Zimmer als angenehm, und sein Schweiß war schon fast getrocknet, als sich die alten Leute ihm zuwandten.
    »Das ist Ben Cooper, Granddad«, sagte Helen.
    »Aye, das sehe ich. Sergeant Coopers Junge.«
    Cooper war diese Begrüßung gewöhnt, vor allem vom älteren Teil der Bevölkerung in und um Edendale. Für manche von ihnen war er nur ein Schatten seines Vaters, dessen Ruhm und Beliebtheit keine Grenzen zu kennen schien.
    »Guten Tag, Sir. Sie haben das Revier angerufen?«
    Harry antwortete nicht, und Cooper vermutete schon fast, dass der alte Knabe taub war, als seine Enkelin das Wort ergriff.
    »Das war ich«, sagte Helen. »Großvater hat mich darum gebeten.«
    Harry zuckte mit den Achseln, als wollte er sagen, dass es ihm herzlich egal war, ob sie angerufen hatte oder nicht.
    »Ich dachte mir bloß, die Polizei würde es vielleicht wissen wollen.«
    »Und Sie heißen, Sir?«
    »Dickinson.«
    Cooper wartete geduldig auf eine Erklärung. Aber sie kam von der Enkelin, nicht von dem alten Mann.
    »Es liegt in der Küche«, sagte sie und ging durch eine zweite Tür voraus. Eine noch ziemlich neue Waschmaschine, eine Kühl-Gefrierkombination und eine Aluminiumspüle waren zwischen die weiß gestrichenen Holzschränke gequetscht. Die alten Leute standen nicht auf, sondern sahen ihnen vom Sessel aus zu. Die Zimmer waren so klein, dass sie jedes Wort mithören konnten.
    »Großvater hat das hier gefunden.«
    Der Turnschuh lag auf dem Küchentisch, ein bizarres Bündel zwischen den getrockneten Minzesträußehen und den braun glasierten Töpfen. Jemand hatte einen Bogen Zeitungspapier darunter gelegt, damit die Erde, die an der Gummisohle klebte, nicht auf den Tisch fiel. Der Turnschuh lag genau auf einem Artikel über die Neueröffnung eines kantonesischen Restaurants, die Schnürsenkel ringelten sich über das Foto einer lächelnden Chinesin, die einen Teller Rippchen mit Bohnensprossen servierte. Auf der Seite gegenüber waren die Spalten mit den Geburts-,Todes- und Hochzeitsanzeigen und den Glückwünschen zum einundzwanzigsten Geburtstag.
    Cooper wischte sich die feuchten Handflächen an der Hose ab und holte einen Stift heraus, mit dem er behutsam die Lasche des Turnschuhs anhob, um hineinzusehen. Er gab Acht, dass die leicht angetrocknete Erde in den Rillen der Sohle, die bereits zu bröckeln begann, nicht herausrieselte.
    »Wo haben Sie das gefunden, Mr. Dickinson?«
    »Unterhalb der Raven’s Side.«
    Cooper kannte die Raven ’ s Side. Es war eine Wildnis aus Felsen, Löchern und dichtem Gestrüpp. Die Suchmannschaften waren der Felswand im Laufe des Nachmittags nur langsam näher gekommen, fast als ob sie sich vor einem Durchkämmen der Gegend scheuten, in der ihnen verstauchte Fußknöchel und aufgerissene Finger drohten.
    »Können Sie etwas genauer sein?«
    Der alte Mann machte ein gekränktes Gesicht, als ob man ihn der Lüge bezichtigt hätte. Cooper fragte sich mittlerweile, warum er geglaubt hatte, dass es im Cottage kühler war als draußen. Obwohl die Fenster offen standen, drang nicht der leiseste Luftzug herein. In der Küche war es stickig und dunkel. Als Helen in die Diele ging, weil es an der Haustür geklopft hatte, schien sie den letzten Rest Licht mitzunehmen.
    »Da unten gibt es eine große Stelle mit Brombeersträuchern und Farnkraut, oberhalb vom Bach«, sagte der alte Mann. »Da gehe ich immer mit Jess spazieren.«
    Plötzlich hörte Cooper ein leises Kratzen von Krallen. Ein schwarzer Labrador blickte unter dem Tisch hervor, als sein Name fiel. Der Hund, der schmutzige Pfoten hatte, lag auf der Eden

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