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Kuehler Grund

Titel: Kuehler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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Bericht. Sie konnte gut tippen, und ihre Notizen waren akkurat und gut lesbar. Nur einmal zögerte sie kurz und zwar, als sie an das Ende der Befragung kam, aber dann beschloss sie, Harry Dickinsons abschließende Bemerkung der Vollständigkeit halber doch mit aufzunehmen. Als sie schrieb, dass der alte Mann DCI Tailby aufgefordert hatte, »abzuhauen«, musste sie unwillkürlich schmunzeln. Doch dann setzte sie rasch wieder eine ernste Miene auf und blickte sich in dem leeren Büro um, ob sie auch niemand beobachtet hatte. Es war nicht ihre Art, sich über ihre Vorgesetzten lustig zu machen – sie hatte sich noch nie an den respektlosen Scherzen und derben Witzen in der Kantine beteiligt, weder hier noch in den West Midlands. Sie konnte selbst nicht verstehen, warum sie über Harry Dickinsons Bemerkung hatte grinsen müssen.
    Sie druckte den Bericht zweimal aus und legte ein Exemplar in die Ablage auf DI Hitchens’ Schreibtisch. Dann ging sie in den Einsatzraum, wo ein Detective Sergeant und ein Computerexperte vor einem Telefon und einem Bildschirm voller Daten hockten. Die Männer ignorierten sie, als sie sich nach der Ermittlungsakte umsah, um die zweite Kopie ihres Berichts abzuheften. Am Morgen, wenn die reguläre Tagesschicht zum Dienst erschien, würde in diesem Raum hektische Betriebsamkeit herrschen. Nach allem, was sie bisher von Tailby gesehen hatte, würde er bestens informiert sein und sich bis ins Detail mit den jüngsten Entwicklungen vertraut gemacht haben, wenn die anderen zu der Besprechung eintrafen.
    Schließlich gab es wirklich nichts mehr für sie zu tun. Sie zog leise die Tür hinter sich zu und ging durch das fast menschenleere Gebäude zum Parkplatz.
    Nachdem sie die Alarmanlage ihres schwarzen Peugeot ausgeschaltet hatte, blieb sie noch einen Augenblick stehen und starrte auf die Rückseite des Polizeireviers. Es gab nichts zu sehen, nur ein paar erleuchtete Fenster, hinter denen hin und wieder der schattenhafte Umriss eines Polizeibeamten auftauchte. Wahrscheinlich ärgerten sich einige von ihnen, dass sie Dienst schieben mussten, obwohl sie lieber bei ihrer Familie oder im Pub oder sonst wo gewesen wären. Es wäre wohl kaum einer böse darüber gewesen, nach Hause gehen zu müssen. Fry startete den Peugeot und fuhr eine Spur zu schnell vom Hof.
    Wie in anderen Kleinstädten waren auch in Edendale die Straßen abends oft wie ausgestorben. Nur zwischen acht und neun Uhr, wenn kleinere Gruppen von Jugendlichen die Pubs ansteuerten, und um halb elf, wenn sie unsicheren Schrittes wieder herauskamen und schwankend nach Bussen und Taxis Ausschau hielten, um noch in einen Night Club oder auf eine Party zu fahren, belebten sie sich vorübergehend.
    Viele der jungen Leute, die sich nachts auf der Straße herumtrieben, waren nicht nur angetrunken, sondern auch minderjährig. Diane Fry war erfahren genug, ein Auge zuzudrücken, wenn sie ihnen begegnete. So lange nicht noch ein anderes Delikt hinzukam – Ruhestörung, Beleidigung oder Erregung öffentlichen Ärgernisses zum Beispiel – wurde es von allen Beamten so gehandhabt. Gegen den Alkoholkonsum von Jugendlichen konnte man nur in den Kneipen selbst vorgehen, aber es gab immer dringendere Aufgaben, immer andere Prioritäten.
    Heute war Montag, und an einem solchen Abend waren selbst die Jugendlichen spärlich gesät, als Fry die Greaves Road in Richtung Stadtzentrum hinunterfuhr. Nach dem Kreisverkehr am Ende der Fußgängerzone sah sie automatisch nach links, das Clappergate hinunter. In der Apotheke und bei McDonald’s brannte Licht. Drei Jugendliche, die sich vor dem Schnellrestaurant auf der gusseisernen schwarzen Bank lümmelten, aßen Chicken McNuggets und Pommes frites, deren Verpackungen sicher über kurz oder lang den Abfall auf dem Gehweg vermehren würden.
    Die meisten Läden waren dunkel, die Nacht gehörte den Pubs und Restaurants. Für Fry war die Auswahl der Geschäfte in Edendale noch gewöhnungsbedürftig. So gab es im Clappergate eine kleine Bäckerei, vor der tagsüber Weidenkörbe, eine bemalte Milchkanne und ein mit Zwiebeln dekoriertes, altes Lieferantenfahrrad auf dem Bürgersteig standen. Einige Türen weiter war ein New-Age-Laden, aus dem es nach Aromaölen und Duftkerzen roch und in dessen Schaufenster Kristalle glitzerten. Dazwischen lagen ein Brillendiscounter, eine chemische Reinigung und eine Filiale der Derbyshire Building Society.
    In der Hulley Road, unweit des Marktplatzes, stand ein etwa dreißigjähriges

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