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Kuehler Grund

Titel: Kuehler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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in Richtung Raven’s Side gegangen?«
    »Stimmt.«
    »Weiter, bitte. Was haben Sie gemacht, während Sie unterwegs waren?«
    »Gemacht? Nicht viel. Das Übliche. Eine Pfeife geraucht. Jess von der Leine gelassen, damit sie Auslauf hatte und ihr Geschäft machen konnte. Ein paar Minuten hingesetzt. Wieder zurückgegangen.«
    »Wen haben Sie gesehen, während Sie mit dem Hund spazieren waren?«
    »Bloß die üblichen Meuchelmörder«, sagte Harry.
    Neben dem Sessel des alten Mannes stand ein poliertes altes Mahagonischränkchen. Oben hatte es ein Fach mit einem Pfeifenständer, einem ledernen Tabaksbeutel und anderen Raucherutensilien, unten hatte es eine kleine Tür, vor der eine Dose schwarze Schuhcreme, ein Tuch und eine Schuhbürste lagen. Cooper warf einen kurzen Blick auf Harrys blank gewienerte Schuhe, dann sah er ihm wieder in die Augen.
    »Das war eine ernste Frage, Mr. Dickinson.«
    »Ja, aber es war auch eine Unterstellung. Sie haben mir unterstellt, dass ich jemanden gesehen habe. Wollen Sie mich vielleicht aufs Kreuz legen? Das schaffen Sie sowieso nicht.«
    »Ich will Sie nicht aufs Kreuz legen, Mr. Dickinson.«
    Cooper verlegte sich aufs Schweigen. Schweigen war ein wirksames Mittel. Es setzte den Befragten unter Druck, bis er früher oder später etwas sagte. Also fasste Cooper sich in Geduld. Er erwartete, dass Harry sagen würde, er hätte niemanden gesehen. Aber Harry paffte an seiner Pfeife, blickte in die Ferne und setzte sich in seinem Sessel bequemer hin. Das Ticken der Kaminuhr war das einzige Geräusch im Raum. Draußen fuhr ein Lieferwagen vorbei. Aus dem Nebenzimmer, wo Gwen sich ein Quiz ansah, kam das Geplärre des Fernsehers. Cooper wurde unruhig. Harry sah so ruhig und zufrieden aus, als ob er draußen auf dem Baulk säße, den Hund zu seinen Füßen, die Silhouette der Witches im Blick, beschäftigt mit seinen eigenen Gedanken.
    »Haben Sie jemanden gesehen?«, fragte Cooper schließlich.
    »Ein paar Wanderer«, sagte Harry. »Wenn Sie es unbedingt wissen wollen.«
    »Haben die Wanderer Sie ebenfalls gesehen?«
    »Glaube ich kaum. Sie waren unten am Bach. Junges Volk, das genug mit sich selbst zu tun hatte. Diese jungen Leute kriegen ziemlich wenig mit.«
    »Wie lange waren Sie unterwegs?«
    »Ungefähr eine halbe Stunde, dann war ich wieder zu Hause. Gwen hatte das Essen fertig, und ich habe Jess gefüttert.«
    »Und später am Abend?«
    »Bin ich noch mal weggegangen, in den Drover. Ungefähr um halb acht. Ich habe Sam und Wilford getroffen, und wir haben uns ein paar Bierchen genehmigt. In der Kneipe kennt mich fast jeder. Fragen Sie Kenny Lee. So was nennt man ein Alibi, nicht wahr?«
    »Sind Sie geradewegs dort hingegangen?«
    »Wieso nicht?«
    »Sie haben keinen Umweg gemacht, über den Baulk zum Beispiel?«
    »Wozu denn das? Da war ich doch schon.«
    »Haben Sie den Hund mitgenommen?«
    »Natürlich hatte ich Jess dabei. Aber Kenny will nicht, dass man Hunde mit ins Wirtshaus bringt, man muss sie hinter dem Haus anbinden. Er sagt, sie erschrecken die Touristen.«
    Cooper war gespannt, ob Harry ihn fragen würde, worauf er mit seinen Fragen hinauswollte. Aber er glaubte es nicht.
    »Wir haben einen Zeugen, der um 19:15 Uhr in der Nähe des Fundortes der Leiche jemanden gesehen hat, auf den Ihre Beschreibung passt.« So vage, wie die Beschreibung gewesen war, konnte man diese Behauptung nicht einmal als Täuschung bezeichnen.
    »Ist ja ein Ding«, sagte Harry. »Das ist ja praktisch für Sie. Das wird Ihnen sicher weiterhelfen.«
    »Aber Sie haben mir gerade erzählt, dass Sie um halb sieben wieder zu Hause waren, Mr. Dickinson. Ist das korrekt?«
    »Aye, das ist korrekt. Das Essen stand schon auf dem Tisch.«
    »Und Sie haben gesagt, dass Sie erst um halb acht wieder weggegangen sind, Mr. Dickinson. Laut Ihrer Aussage waren Sie also um 19:15 Uhr zu Hause. Ist das korrekt?«
    »Ja.«
    »Sie können nicht an zwei Orten zugleich gewesen sein.«
    Harry zuckte die Achseln. »Ich würde sagen, das ist Ihr Problem.«
    »Und am Sonntag?«, fragte Cooper, um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.
    »Wieso Sonntag?«
    »Sind Sie an dem Tag auch mit Ihrem Hund auf den Baulk gegangen?«
    »Neun Uhr morgens und sechs Uhr abends. Wie immer.«
    »Derselbe Weg? Richtung Raven’s Side?«
    »Ja.«
    »Und am Montagmorgen auch?«
    »Neun Uhr.«
    »Finden Sie es dann nicht auch ein bisschen seltsam, dass Sie den Turnschuh erst am Montagabend gefunden haben? Nachdem Sie bereits viermal in

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