Kuehler Grund
allerdings nicht vor den unerträglichen Temperaturen, als er den DCI am Nachmittag aufsuchte.
»Sehr interessant«, sagte Tailby, nachdem er ihm eine Zusammenfassung seiner Befragungen im Dial Cottage vorgetragen hatte. »Aber meinen Sie wirklich, Sie haben ihm fest genug auf den Zahn gefühlt, Cooper?«
Cooper dachte an seine Bemerkung während der Frühbesprechung und fragte sich, ob der DCI sich über ihn lustig machen wollte. Er war froh, dass er ihm nicht erzählt hatte, was sich auf der Thorpe Farm abgespielt hatte, bevor er Harry überreden konnte, in sein Auto zu steigen.
»Er ist ein etwas schwieriger Mensch, Sir.«
»Ich weiß. Vielleicht müssen wir ihn aufs Revier vorladen und ihn noch einmal vernehmen, unter Verlesung seiner Rechte. Dann käme er schnell von seinem hohen Ross herunter, meinen Sie nicht?«
»Gut möglich.«
»Also, was denken Sie, Cooper? Glauben Sie ihm?«
»Doch, Sir. Komischerweise ja.«
»Hm?«
»Ich glaube ihm, was er gesagt hat, und zwar gerade deshalb, weil er so viel nicht gesagt hat, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Ich fürchte nein, Cooper.«
»Ich habe den Eindruck, dass er sich geschickt um eine Lüge herumgemogelt hat. Wenn es um Dinge ging, die er nicht sagen wollte, ist er mir ausgewichen. Und deshalb glaube ich, dass alles, was er gesagt hat, der Wahrheit entspricht. Ich könnte mir vorstellen, dass lügen gegen seine Prinzipien verstößt.«
»Gibt es solche Leute tatsächlich noch? Ich mag ja ein zynischer alter Detective Chief Inspector sein, aber ich dachte, diese Einstellung wäre mit George Washington ausgestorben.«
»Gewiss, es ist altmodisch, aber es gibt in dieser Gegend heute noch Leute, die so erzogen wurden. Mein Gefühl sagt mir, dass Harry Dickinson dazu gehört. Deshalb sagt er nicht mehr als unbedingt nötig. Je weniger man von sich gibt, desto geringer ist die Versuchung zu lügen.«
»Die Wahrheit sagen oder schweigen.«
»Ganz genau, Sir.«
»Das hat mir mein alter Sergeant vor vielen Jahren auch immer gesagt, als ich noch neu bei der Truppe war«, sagte Tailby. »Aber das ist schon eine Ewigkeit her. Die Dinge ändern sich, Cooper.«
»Aber manches bleibt auch gleich, Sir.«
Tailby rubbelte mit der Hand über seinen Kopf, als ob er die grauen Haare vorne mit den dunkleren hinten vermischen wollte, damit er nicht länger wie das Opfer eines verunglückten Haartönungsexperiments aussah. Sein Gesicht war noch schmaler als sonst, und er sah müde aus.
»Gut, gut. Hat sich also der Vogelfreund in der Zeit geirrt? Hat er Dickinson und seinen Hund früher gesehen, als er dachte?«
»Möglich wäre es. In den Bergen verliert man schnell das Zeitgefühl. Man kann sich leicht täuschen.«
»Dann müssen wir bei ihm noch einmal nachhaken.« Tailby blätterte in einer Akte. »Verdammt, hier fehlt die Information, ob er eine Uhr trug und wenn ja, ob sie normalerweise genau geht. Überhaupt eine ziemlich lückenhafte Befragung. Wer hat sie durchgeführt?« Er verzog das Gesicht. »Ach ja, DS Rennie.«
Unbewusst imitierte Cooper die Geste des DCI und strich sich eine Haarlocke aus der Stirn. Einige Strähnen klebten an seiner schweißnassen Haut.
»Es will mir nicht in den Kopf, dass alle Leute, für die wir uns interessieren, zur selben Zeit auf dem Baulk waren«, sagte er. »Laura, Harry Dickinson, Graham Vernon. Und eine vierte Person – der Täter? Ein bisschen zu viel des Zufalls.«
»Wir müssen aus Dickinson herausbekommen, worüber er mit Graham Vernon sprechen wollte«, sagte Tailby.
»Können wir beweisen, dass seine Gründe für unsere Ermittlungen relevant sind?«
Tailby überlegte. »Dass Dickinson und Vernon zur selben Zeit auf dem Baulk waren, ist äußerst relevant.«
»Wichtiger noch erscheint mir die Frage, was Vernon dort gemacht hat«, sagte Cooper.
»Das ist nicht die einzige Frage, auf die uns die Eltern noch eine Antwort schuldig sind. Ihre Aussage über das, was unmittelbar vor Lauras Verschwinden passiert ist, scheint nicht ganz zu stimmen. Aber bei der Aufzeichnung des Fernsehaufrufs heute Morgen waren sie sehr glaubwürdig, vor allem Graham Vernon.«
Ben Cooper ließ sich durch Vernons überzeugenden Fernsehauftritt nicht beeindrucken. Seiner Erfahrung nach war alles, was vor einer Fernsehkamera gesagt wurde, noch weiter von der Wahrheit entfernt als die üblichen Erfindungen und Ausflüchte, mit denen er sich bei seiner Arbeit tagtäglich herumschlagen musste. Eine Lüge bleibt eine Lüge, auch im
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