Kuehler Grund
Scheinwerferlicht und vor laufender Kamera.
Tailby nestelte am Knoten seiner Krawatte, wie ein Mann, der auf sein äußeres Erscheinungsbild bedacht war. Cooper sah dem DCI an, dass er seine Zweifel teilte.
»Und was ist mit Daniel Vernon?«, fragte er.
»Wir haben mehrere zuverlässige Zeugen, die ihn zu den fraglichen Zeiten in Exeter gesehen haben. Anscheinend gehört er einer linken Gruppierung an, die von ihrem sozialen Gewissen umgetrieben wird. Wo er das wohl her hat? Wirklich schade – Daniel kam mir als Tatverdächtiger sehr viel versprechend vor. Ich hatte noch DC Weenink in die Villa geschickt, um herauszufinden, wie er die Transportfrage gelöst hat. Sein Vater hatte ihm angeboten, ihm die Zugfahrkarte zu kaufen oder ihn aus Devon abzuholen, nachdem Laura am Montag tot aufgefunden worden war. Aber Daniel wollte lieber trampen, und deshalb hat er für die Strecke die ganze Nacht und den halben Vormittag gebraucht. Wir haben den Fahrer eines Viehtransporters ausfindig gemacht, der ihn in den frühen Morgenstunden an der Ausfahrt 28 auf der Ml abgesetzt hat.«
»Interessant.«
»Heutzutage ist es eher selten, dass jemand einen abgerissenen Jugendlichen am Straßenrand aufgabelt. Zu meiner Zeit kam so etwas öfter vor.«
»Nein, ich meine …«
»Ich weiß, Cooper. Und ich bin ganz Ihrer Meinung. Aber das kann erst einmal warten.«
Cooper wusste nicht recht, ob der DCI damit andeuten wollte, dass er gehen sollte. Aber da Tailby heute recht zugänglich zu sein schien, blieb er am Ball.
»Und wie macht sich Lee Sherratt, Sir?«
»Er streitet alles ab. Angeblich hatte er keinerlei Beziehung zu Laura; er behauptet sogar, er hätte sie kaum gekannt. Aber das gebrauchte Kondom hat ihn trotzdem geschockt. Damit können wir ihn festnageln. Wir brauchen bloß die Ergebnisse der DNS-Analyse abzuwarten.«
»Aber dann wissen wir auch nur, dass er Sex im Garten hatte. Es beweist noch lange nicht, dass er ihn mit Laura Vernon hatte.«
»Wenigstens können wir ihn dann etwas unter Druck setzen. Aber wir haben sowieso noch eine andere Alternative. DS Morgan hat Lauras Freund gefunden.«
»Ach.«
»Es ist ein gewisser Simeon Holmes. Siebzehn Jahre alt. Er wohnt im Devonshire Estate in Edendale. Kennen Sie die Siedlung?«
Cooper kannte sie nur allzu gut. Er war dort als junger Bobby Streife gefahren, immer auf der Suche nach Jugendlichen, die in gestohlenen Autos Rennen veranstalteten, oder nach Informationen über Drogenhändler, die in der trostlosen Betonwüste aus den Sechzigerjahren ihr Unwesen trieben.
Das Devonshire Estate war unten im Tal auf einem morastigen Gelände hochgezogen worden, das man für das Neubauvorhaben in aller Eile trocken gelegt hatte. Seit fünfunddreißig Jahren kroch nun die Feuchtigkeit wieder in die Fundamente der Häuser, ließ die Wände verschimmeln und Türen und Fenster vermodern. Inzwischen waren viele der Häuser praktisch unbewohnbar; aus den Bodendielen sprossen Pilze, und durch die Dächer strömte das Wasser herein. Aber die Sozialschwachen von Edendale hatten kaum eine andere Wahl, als dort zu wohnen. Für das idyllische Tal war die Siedlung ein Slum.
»Wie kommt es, dass er Laura Vernons Freund war? Es klingt eher so, als ob er überhaupt nicht zu ihr gepasst hätte.«
»Ihren Eltern hätte er bestimmt nicht gefallen«, sagte Tailby. »Unter anderem fährt er nämlich Motorrad. Er sagt, er hätte Laura eines Mittags in der Stadt kennen gelernt, als sie eigentlich beide in der Schule hätten sein sollen. Er behauptet sogar, die Initiative sei von ihr ausgegangen, und sie hätte seitdem immer wieder blau gemacht, um sich an den verschiedensten Orten mit ihm zu treffen.«
»Nichts als bummeln im Kopf.«
»So nennen die das heutzutage? Ich dachte, das heißt fummeln, nicht bummeln.«
»Ich meine das Schuleschwänzen, Sir, nicht das andere.«
»Das andere ist anscheinend auch nicht zu kurz gekommen. Holmes sagt, sie hätte ihm weisgemacht, sie wäre schon sechzehn.«
»Die alte Leier.«
»Aber es ist wirklich nicht ganz einfach. Ich könnte Ihnen auch nicht sagen, ob irgendein Mädchen auf der Straße fünfzehn oder sechzehn ist. Manchmal sehen sie wie achtzehn aus und sind erst zwölf. Die Staatsanwaltschaft würde ihn sowieso nicht wegen Verführung einer Minderjährigen verfolgen. Nicht, wenn er selbst erst siebzehn ist.«
»Dann haben wir also Spuren genug, Sir.«
Tailby seufzte. »Mehr als genug. Wir haben definitiv ein Überangebot an Tatverdächtigen.
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