Kuehles Grab
warten lassen würde, und fragte mich, ob er noch miterleben könnte, wie der Leichnam seiner Tochter nach Hause gebracht und beerdigt wurde.
Wir tranken aus reiner Höflichkeit den Kaffee aus. Mr. Petracelli schien unsere Abfahrt hinauszögern zu wollen. Als wir endlich einsteigen konnten, stellte er sich auf die Veranda und winkte.
Ich warf einen letzten Blick auf Mr. Petracelli, als wir in die Straße einbogen – ein kleiner, gebeugter Mann mit rotem, strahlendem Gesicht, der einem Detective begeistert nachwinkte, weil er fest daran glaubte, dass er ihm endlich seine Tochter nach Hause bringen würde.
»Du hast die Zeichnung an Catherine Gagnon gefaxt«, sagte ich, sobald wir den Highway erreichten. »Warum?«
»Dein Vater hat Catherine bei seinen Besuchen in der Klinik eine Zeichnung gezeigt«, gab er zurück.
»Wirklich?«
»Ich möchte wissen, ob es diese Zeichnung war.«
»Das ist unmöglich! Catherine war 1980 im Krankenhaus, und die Zeichnung wurde erst zwei Jahre später angefertigt.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil der Stalker erst im August 1982 anfing, Geschenke auf unsere Veranda zu legen. Vorher konnte niemand diesen Typen zeichnen.«
»Dabei gibt's nur ein Problem.«
»Und das wäre?«
»In den Polizeiberichten steht, dass niemand diesen Stalker gesehen hat, schon gar nicht sein Gesicht. Weder dein Vater noch deine Mutter oder Mrs. Watts, auch keiner der Nachbarn. Deshalb kann der Stalker theoretisch nicht der Typ auf der Zeichnung sein.«
Diese Worte machten mir schwer zu schaffen. Es musste jedoch eine logische Erklärung geben … Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich diesen Satz in letzter Zeit überstrapazierte. Mein Vater musste schon 1980 etwas gewusst haben. Es muss schwerwiegend gewesen sein, wenn er sich als FBI-Agent ausgegeben und Catherine mit der Zeichnung einen Besuch im Krankenhaus abgestattet hatte. Aber was hatte ihn dazu veranlasst?
Ich zermarterte mir das Gehirn. 1980 war ich erst fünf Jahre alt gewesen. Wir lebten in Arlington und …
Mir fiel nichts ein. Ich erinnerte mich nicht einmal mehr, ob ich damals schon in Comicseiten eingewickelte Geschenke bekommen hatte.
Das Klingeln des Handys, das an Bobbys Gürtel klemmte, durchbrach die Stille. Er meldete sich, wechselte ein paar knappe Worte mit dem Anrufer und warf mir dabei Seitenblicke zu. Dann klappte er das Handy zu und wollte etwas sagen. Ein weiteres Klingeln hinderte ihn daran.
Diesmal war sein Ton höflicher, professioneller. Ein Detective, der mit einem Fremden sprach. Offenbar wollte er ein Treffen vereinbaren.
»Wann genau müssen Sie zu dieser Konferenz aufbrechen? Ich will ehrlich sein, Sir, ich muss Sie so bald wie möglich sprechen. Es geht um einen Ihrer früheren Professoren. Russell Granger …«
Selbst ich konnte den Ausruf am anderen Ende der Leitung hören. Plötzlich nickte Bobby.
»Wo wohnen Sie? In Lexington? Zufällig bin ich gerade ganz in der Nähe.«
Er sah mich an. Ich antwortete mit einem Schulterzucken, dankbar, dass ich mich nicht dazu äußern musste. Bobby organisierte die Befragung des ehemaligen Vorgesetzten meines Vaters. Augenscheinlich sollte diese Unterredung gleich jetzt stattfinden.
Mir machte das nichts aus. Allerdings würden mich keine zehn Pferde dazu bringen, im Wagen sitzen zu bleiben und auf Bobby zu warten.
32
»Zeit, Bella ein wenig Gassi zu führen«, verkündete Bobby, als er durch eine kurvige Straße im Norden der Minuteman Statue in Lexington fuhr. Paul Schuepp hatte die Hausnummer 58. Bobby sah die 26, dann die 32, also stimmte die Richtung. »Eine hübsche Gegend – hier kannst du dir gut ein wenig die Beine vertreten.«
Annabelle nahm das so auf, wie er erwartet hatte. »Sehr witzig.«
»Das ist mein Ernst. Dies hier ist eine offizielle polizeiliche Ermittlung.«
»Dann solltest du mich zu deinem Deputy machen, denn ich gehe auf alle Fälle mit ins Haus.«
Nummer 48 … Das Haus im Kolonialstil mit der roten Ziegelfassade. »Dies ist nicht mehr der Wilde Westen.«
»Ach, was du nicht sagst. Hast du die letzten Berichte über die Schießereien in der Stadt gelesen? Man könnte meinen, es ist noch genau wie in alten Zeiten im Westen.«
Bobby hielt in der Einfahrt. Er musste eine Entscheidung treffen. Sollte er zehn Minuten von den dreißig, die Schuepp ihm zugestanden hatte, mit einem sinnlosen Streit mit Annabelle vergeuden, oder sollte er sie mitnehmen und den nächsten Vortrag über anständige Polizeiarbeit von D. D.
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