Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
Vom Netzwerk:
weshalb wir gekommen sind?«, fragte Annabelle behutsam.
    »Lassen Sie mich zunächst eine Frage stellen, junge Dame: Wann ist Ihr Vater gestorben?«
    »Vor knapp zehn Jahren.«
    »So lange hat er durchgehalten? Sehr gut. Wo ist er gestorben?«
    »In Boston – wir sind hierher zurückgekehrt.«
    »Tatsächlich? Interessant. Wenn Sie mir eine zweite Frage gestatten – wie ist er gestorben?«
    »Er wollte die Straße überqueren und ist von einem Taxi erfasst worden.«
    Schuepp zog eine buschige Augenbraue hoch und nickte. »Und Ihre Mutter?«
    Annabelle zögerte. »Vor achtzehn Jahren. In Kansas City.«
    »Wie?«
    »An einer Überdosis. Schnaps und Schmerztabletten. Sie hat im Laufe der Jahre ein Alkoholproblem bekommen. Ich habe sie gefunden, als ich aus der Schule zurückkehrte.«
    Bobby warf ihr einen Blick zu. Sie hatte Schuepp in der kurzen Zeit mehr über sich erzählt als ihm in all den Tagen.
    »Kollateralschaden«, bemerkte Schuepp sachlich. »Ergibt einen Sinn. Sollen wir?« Er deutete auf den Tisch. »Der Kaffee ist fertig. Aber, wie gesagt, ich rate Ihnen zu dem Scotch.«
    Er ging zurück in die Küche, stellte die Kaffeekanne, Tassen und ein Milchkännchen auf ein Tablett. Bobby nahm es ihm wortlos ab, weil er glaubte, es sei viel zu schwer für den schmächtigen Greis. Schuepp lächelte zum Dank. Sie gingen zum Tisch. Bobbys Gedanken rasten, Annabelle wurde mit jeder Sekunde blasser.
    »Sie kannten meinen Vater«, stellte sie fest.
    »Ich bekleidete fast zwanzig Jahre lang das ehrenvolle Amt des Fakultätsleiters für Mathematik. Ihr Vater war fünf Jahre am Massachusetts Institute. Nicht annähernd lange genug, aber er hat seine Spuren hinterlassen. Wissen Sie, er hat die angewandte Mathematik eingeführt, nicht nur die trockene Wissenschaft gelehrt. Bei seinen Studenten war er sehr beliebt. Brillanter Verstand und Sinn für Strategie. Ich empfahl ihm immer wieder, das Unterrichten aufzugeben und stattdessen für das Verteidigungsministerium zu arbeiten.«
    »Sie waren sein Chef?«, fragte Bobby.
    »Ich habe ihn eingestellt, nachdem ihn mir ein guter Freund, Dr. Gregory Badington von der University of Pennsylvania, wärmstens ans Herz gelegt hatte. Unter den gegebenen Umständen war das die einzige Möglichkeit.«
    »Augenblick.« Bobby kannte den Namen. »Gregoy Badington aus Philadelphia?«
    »Ja, Sir. Greg leitete von 1972 bis 1989 das Mathematikprogramm der Penn. Ist vor ein paar Jahren ganz plötzlich verstorben. Aneurysma. Ich bete, dass ich auch einmal so viel Glück haben möge.« Schuepp nickte ohne jede Spur von Sarkasmus.
    »Demnach war Gregory Badington also Russell Grangers früherer Boss«, sagte Bobby nachdenklich. »Er hat Ihnen Russell für Ihre Fakultät empfohlen und ihm und seiner Familie gleichzeitig sein Haus in Arlington zur Verfügung gestellt. Aber wieso sollte Dr. Badington das alles für einen Dozenten tun?«
    »Greg hat seine Doktorarbeit in Harvard verfasst«, erklärte Schuepp. »Seine Liebe für Boston hat er nie verloren. Und als klar war, dass Russells Familie Pennsylvania verlassen musste, war Gregory gern bereit, ihm zu helfen.« Der alte Professor drückte Annabelles Hand. »Wie viel hat Ihnen Ihr Vater erzählt?«
    »Nichts. Er war immer bemüht, mich nicht über Gebühr zu beunruhigen, und irgendwann war es dann zu spät.«
    »Und jetzt wurde dieses Grab in Mattapan entdeckt«, fügte Schuepp hinzu. »Ich hab's in den Nachrichten gesehen und sogar in Erwägung gezogen, die Polizei anzurufen, als ich Ihren Namen in der Zeitung las. Ich war ziemlich sicher, dass es nicht Ihre sterblichen Überreste waren, die man geborgen hat. Ich schätze, es handelte sich um dieses andere Kind – das Mädchen aus Ihrer Straße.«
    »Dori Petracelli.«
    »Ja, ganz recht. Sie wurde ein paar Wochen nachdem Sie und Ihre Eltern von Arlington weggegangen waren, als vermisst gemeldet. Das hätte Ihren Vater fast umgebracht. Trotz all seiner umsichtigen Planung hatte Russell so etwas nicht kommen sehen. Was für eine schreckliche Last, die er da zu tragen hatte. Kein Wunder, dass er Ihnen nach dieser schrecklichen Tragödie nichts sagen wollte. Welcher Vater würde seiner Tochter schon gern offenbaren, dass er sie gerettet und dafür ihre beste Freundin geopfert hat? Er musste fürchterliche Entscheidungen treffen – ja, es war eine schreckliche Zeit.«
    »Mr. Schuepp …«, begann Annabelle.
    »Mr. Schuepp«, fiel ihr Bobby ins Wort. Er hatte Mühe, all das mitzuschreiben.
    Der alte

Weitere Kostenlose Bücher