Kuehles Grab
Verdächtigen – das sind zwei Paar Stiefel.«
»Ja klar«, brummte Bobby, aber er klang besorgt. »Das ist genau das, was mir zu schaffen macht – die Vorgehensweise des Stalkers passt … Vor fünfundzwanzig Jahren hatte der Täter es auf junge Mädchen abgesehen. Auf die siebenjährige Annabelle Granger, ihre beste Freundin, Dori Petracelli. Und jetzt plötzlich will er erwachsene Frauen? Dich, Annabelle … ich bin zwar kein Profiler, aber ich glaube kaum, dass es so abläuft.«
»Vielleicht ist das Alter der Opfer für ihn nicht relevant. Annabelle ist ihm durch die Lappen gegangen. Jetzt hat er sie wiedergefunden und ist fest entschlossen, sie nicht noch einmal davonkommen zu lassen. Und was mich angeht – ich bin die leitende Ermittlerin. Er will mich zum Narren halten. Er hat kein persönliches Interesse an mir, deshalb hat er seine Hunde geschickt, statt sich selbst um mich zu kümmern. Annabelle ist sein Lebenswerk. Ich bin ein Hobby.«
»Ein ermutigender Gedanke.«
»Insbesondere für mich. Wer möchte schon als Nebenprodukt umgebracht werden? Und vergiss Eola nicht, Bobby. Die meisten glauben, dass er eine Schwester im Boston State Mental getötet hat. Wenn Eola unser Mann ist, dann haben wir es mit jemandem zu tun, der Frauen jedes Alters missbraucht und ermordet. Diese Kerle … wer weiß schon, was sie wirklich anmacht?«
Bobby antwortete nicht sofort. Dann sagte er: »Du betrachtest Russell Granger immer noch als Verdächtigen?«
»Das werde ich, bis das Gegenteil bewiesen ist.«
»Und er ist von den Toten auferstanden?«, fragte Bobby sarkastisch.
»Ich habe gestern Abend mit dem Gerichtsmediziner gesprochen, Bobby. Da deine Zeit so beansprucht wird, dachte ich, ich tue dir einen Gefallen und überprüfe, unter welchen Umständen Annabelle Grangers Vater gestorben ist. Laut Akte hat die Polizei Annabelle – Tanya – von dem Unfall in Kenntnis gesetzt. Sie hat den Leichnam identifiziert, und das genügte dem Pathologen. Denk doch mal nach, Bobby! Das Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit zerschmettert. Die Gerichtsmediziner haben nie seine Fingerabdrücke oder sonstige Körpermerkmale dokumentiert oder identifiziert. Die Tochter hat den Leichnam identifiziert, das war's. Das bedeutet, der Tote, der Michael W Nelsons Führerschein bei sich hatte, hätte irgendjemand sein können. Ein Fremder, ein Landstreicher. Ein armer Teufel, den er auf die Straße vor das Taxi gestoßen hat …«
Diese Erklärung schien Bobby die Sprache verschlagen zu haben. Gut so, denn das Blut rauschte so laut in meinen Ohren, dass ich ihn nicht verstanden hätte. D. D. dachte, dass mein Vater noch am Leben war? Dass er jemanden umgebracht hatte, um seinen eigenen Tod vorzutäuschen? Sie glaubte allen Ernstes, dass er das kranke Gehirn war, das hinter all diesen Morden steckte?
Das war absurd. Mein Vater war kein Mörder! Er hatte weder kleine Mädchen noch Dori Petracelli oder erwachsene Männer getötet.
Und er hätte mich nicht freiwillig alleingelassen.
Meine Beine gaben nach. Meine Schulter stieß gegen die Haustür, und sie ging auf. D. D. und Bobby nahmen keine Notiz davon. Sie waren zu beschäftigt damit, den Fall zu analysieren und die wenigen Wahrheiten, die ich kannte, in gigantische Lügen zu verwandeln.
Wir hatten Arlington nicht verlassen, weil mein Vater seine Spuren verwischen musste. Wir waren weggegangen, weil er mich beschützen wollte. Weil …
»Roger, bitte geh nicht. Roger, ich flehe dich an, bitte tu das nicht …«
»Wer auch immer er ist«, sagte Bobby noch immer mit deutlich skeptischem Unterton, »der Täter will Aufmerksamkeit haben. Und trotz all seiner Cleverness versucht er nicht, subtil vorzugehen. Er hat eine Nachricht unter deinen Scheibenwischer gesteckt, ein Geschenk vor Annabelles Tür gelegt. Warum? Wenn er so intelligent ist, warum tötet er euch nicht beide und bringt die Sache hinter sich? Er will eine Hetzjagd. Er möchte angeben. Und genau deshalb schnappen wir ihn. Er wird den nächsten Schritt unternehmen, und dann nageln wir seinen Arsch fest.«
»Hoffentlich hast du recht«, murmelte D. D. »Ich bin nämlich ziemlich sicher, dass ein solcher Typ etwas richtig Scheußliches plant.«
Sie gingen aufs Haus zu. Im letzten Moment rappelte ich mich auf und stürmte die Treppe hinauf. Die Detectives Sinkus und McGahagin musterten mich neugierig, als ich in die Wohnung eilte und geradewegs in mein Schlafzimmer ging. Ich machte die Tür zu.
Etliche Sekunden vergingen,
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